Rzeczpospolita: "An solch einem Ort verliert man alle Hoffnung"
Am 65. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert an diesen historischen Augenblick die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita. An diesem Tag, lesen wir in dem Blatt, herrschte in Auschwitz Eiseskälte, das Lager bedeckte eine dicke Schneedecke. Auf den Alleen zwischen den Baracken lagen Häufchen von Asche – Überreste der verbrannten Dokumente aus der Lager-Kanzlei. Rundherum waren Fragmente von in die Luft gesprengten Gaskammern und Krematorien zu sehen. Im Lager herrschte taube Stille. Nur von Weitem konnte man Kanonendonner vernehmen, Echos der sich nähernden Front. Auf dem Lagergelände waren damals nur noch ca. 7 Tausend Häftlinge: vor allem Kinder und Kranke. Den Rest hatte die SS in so genannten Todesmärschen in den Westen gejagt. Obwohl die Menschen schon seit Tagen keine Wärter gesehen hatten, hatten sie weiterhin Angst, ihre Baracken zu verlassen. „ Plötzlich“, erinnert sich Henryk Duszyk (Lagernummer: 192692), „sah ich Gestalten zwischen den Baracken. In grünen Uniformen und mit Waffen. Anfangs hatte ich keine Ahnung, was vor sich geht. Erst nach einiger Zeit, als einer der Männer etwas auf Russisch sagte, wurde mir klar, worum es geht. Ich konnte nicht glauben, dass das schon das Ende des Albtraums ist.“ - so Duszyk, der während des Warschauer Aufstands 1944, als neunjähriger Junge in das Lager gelangte. Von seiner Familie hat nur er überlebt, bis heute plagen ihn in Auschwitz erworbene Krankheiten. „Die Ankunft der Sowjets“, erzählt der Auschwitz-Überlebende, „war für mich ein Schock. Nach Monaten von Hunger, Krankheiten und Demütigungen war ich frei. Das kam unerwartet, da wir uns alle sicher waren, dass wir aus Auschwitz nicht lebendig herauskommen, dass wir für immer dort bleiben werden. An einem solchen Ort verliert man alle Hoffnung“, zitiert Duszyks Worte die Rzeczpospolita.
DPA/"Gazeta Wyborcza": Europas Probleme mit dem Holocaust-Gedenktag
Den heutigen Holocaust-Gedenktag thematisiert auch die linksliberale Tageszeitung "Gazeta Wyborcza". Der Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, schreibt das Blatt, werde in ganz Europa als ein Holocaust-Gedenktag begangen. Gedenktage würden allerdings dann festgelegt, wenn es an Erinnerung fehle, wenn diese durch Geschichte ersetzt werde. Für viele Europäer von heute sei, heißt es weiter in dem Artikel, die Quelle dieser Geschichte nicht glaubwürdig. In der Erinnerung an den Völkermord an Juden würden sie nicht die Sorge um historische Wahrheit sehen, sondern einen politischen Trick, der den Interessen des Staates, den die Auschwitz-Überlebenden gegründet hatten, dienen soll. Diese Europäer seien vor allem neue Einwanderer aus arabischen Staaten und ihre Nachkommen. In Großbritannien boykottiere die muslimische Bevölkerung den Holocaust-Gedenktag. In Frankreich hätten Lehrer an vielen Schulen Angst, über den Holocaust zu unterrichten, weil sie sich vor Gewalt seitens der Schüler fürchten. Die Notwendigkeit eines gesonderten Holocaust-Gedenktages beweise, so das Fazit der Gazeta Wyborcza, dass Europäer - und nicht nur jene, die erst vor kurzem angekommen sind - weiterhin Probleme damit haben, das verbrecherische Erbe unseres Kontinents anzunehmen.
Gazeta Wyborcza: "Ich sehne mich nach Dir Jude"
Ebenso in der Gazeta Wyborcza zu finden ist auch ein optimistischerer Artikel zum 65. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung. Darin lesen wir über die künstlerische Aktion „Ich sehne mich nach Dir, Jude“. In ihrem Rahmen können Internet-Benutzer an Menschen jüdischer Abstammung erinnern, die ihnen fehlen. „ Mit meiner Aktion“, erzählt dem Blatt der Ideengeber Rafal Betlejewski, „möchte ich die Sehnsucht nach den polnischen Juden ausdrücken, die hier waren und nicht mehr hier sind. Ich möchte konkrete Personen mit Vor- und Nachnamen in Erinnerung rufen. Diejenigen, die wir aus der Literatur oder auch persönlich kennen. Diejenigen, die während des Krieges ums Leben gekommen sind, oder 1968 aus Polen vertrieben wurden.“
Im Rahmen der Initiative „Ich sehne mich nach Dir, Jude“ appelliert der Künstler Betlejewski auf seiner Seite www.tesknie.com um Briefe von Polen an Juden. Die Autoren der Zuschriften möchte er dann an für die von Ihnen genannten Menschen wichtigen Orten fotografieren. Ein leerer Stuhl auf den Bildern soll die Abwesenheit dieser Personen symbolisieren. Obwohl die Aktion von Rafal Betlejewski offiziell erst heute startet, hat der Künstler jetzt schon hunderte von Briefen aus aller Welt erhalten. Ewa Stelmachow schrieb in ihrer Zuschrift: „Ich habe immer noch meine jüdischen Freundinnen in Erinnerung , die aus meinem Leben von einem Tag auf den anderen verschwanden – wie Meteoriten. Sie sind eines Tages einfach nicht mehr in der Schule erschienen. Niemand sagte mir, wo sie hin waren. Niemand erklärte etwas. Ich weiß nicht mal, ob ihnen bewusst war, wie wichtig sie in meinem Leben waren…. Mit ihrer Aktion sind Sie meiner Sehnsucht zuvorgekommen. Ich hatte sie lang unterdrückt, da ich sie für unerfüllbar hielt.“
adn