Dem Thema der polnisch-russischen Aussöhnung schreiben viele Kommentatoren ein europäisches Ausmaß zu. „Ganz Europa wird sich nur dann entspannen können, wenn der mächtigste Staat Osteuropas, der in Brüssel einflussreichste ehemalige Satellitenstaat der UdSSR, Frieden mit Russland findet.“ - schrieb nach der Katastrophe vom 10. April der französische „Le Figaro“.
Ist die Katastrophe von Smolensk wirklich eine Chance auf Aussöhnung zwischen Polen und Russland? Spekulationen zu diesem Thema finden wir in allen aktuellen polnischen Wochenmagazinen.
Polityka: Smolensk als ein window of opportunity
Laut dem Publizisten des Magazins Polityka Marek Ostrowski ist ein solcher Durchbruch zwischen beiden Ländern tatsächlich möglich. Für Ostrowski sind die russischen Gesten nach dem Flugzeugunglück vom 10. April das, was man in der englischen politischen Sprache ein window of opportunity nennt – eine unerwartete Chance also. Beide Nationen, lesen wir in Ostrowskis Artikel, haben einander nach der Katastrophe von einer bisher unbekannten Seite kennengelernt. Die Russen haben sich endlich auf den polnischen Standpunkt geöffnet und die Polen wiederum haben erkannt, dass es in Russland, das bisher vor allem als das Land der verhassten Ostseepipeline, der Gassperren oder Lebensmittelembargos dargestellt wurde, warme und sensible Menschen leben. Damit sich die gegenseitigen Beziehungen nach der Katastrophe jedoch auch langfristig verbessern, so Ostrowski weiter, müssen Polen und Russland das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Sonst kann sich das Fenster der Möglichkeit, genauso schnell wie es sich geöffnet hat, auch wieder schließen.
Newsweek: Keine falschen Hoffnungen Genossen Polen
Auch der russische Soziologe Lew Gudkow betont, dass vor Polen und Russland auf dem Weg zur Aussöhnung noch viel Arbeit wartet. In einem Interview für das Magazin Newsweek verweist der Soziologe darauf, dass in Russland immer noch viele Vorurteile über Katyn gibt. Das russische Fernsehen habe zwar den Film „Katyn“ von Andrzej Wajda über den Mord der Sowjets an Tausenden von polnischen Offizieren 1940 ausgestrahlt. Viele russische Kommentatoren, erinnert Gudkow, hatten jedoch in der Debatte nach der Ausstrahlung im Sender „Kultura“, Zweifel zu den Motiven der Täter gemeldet. Sie deuteten an, dass es sich bei dem Massaker um einen Racheakt für die Erschießung von russischen Kriegsgefangenen durch die Polen 1919 handelte. Durch solche Einwände und Zweifel, so Gudkow, bleibt das Bild des Massakers von vor 70 Jahren in den weniger gebildeten Schichten der russischen Gesellschaft weiterhin verschwommen. Bis sich das ändert, muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, so Gudkow in dem Magazin Newsweek.
Polityka: Zeig mir deinen Mikrochip und ich sage Dir, wer Du bist
Die Polityka kommt noch einmal auf die elektronischen Personalausweise eID zu sprechen, die in den nächsten Jahren zu einem europaweiten Standard werden sollen. Das neue Dokument soll mit einem Mikrochip, biometrischen Daten und elektronischer Unterschrift ausgestattet sein. Es wird als Studentenausweis, Pass, Krankenversicherung und sogar als Busticket dienen können. Polen, so die Polityka, plant, die neuen Personalausweise bis 2013 einzuführen. Da man hierzulande die Revolution von vor zehn Jahren, als die Regierung einen Austausch der Papier-Personalausweise gegen Plastik-IDs angeordnet hat, noch frisch in Erinnerung hat, wird der Umtausch diesmal freiwillig sein.
Daher wird der komplette Umstieg auf das eID wahrscheinlich bis 2021 erfolgen, wenn die letzten Plastikausweise abgelaufen sind. Polen wird den elektronischen Personalausweis etwa zeitgleich mit Bulgarien, Zypern, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Holland, Rumänien und der Slowakei einführen.
adn