GAZETA WYBORCZA: Polen, ein tief gespaltenes Land
Polen ist in zwei Hälften gespalten. Und das nicht nur im Bezug auf die prozentuale Unterstützung für Kaczynski oder Komorowski in der gestrigen Präsidentschaftswahl. Auch geographisch zieht sich genau durch die Mitte des Landes eine Grenze. Wie man in der heutigen Ausgabe der Gazeta Wyborcza sieht, haben alle östlichen Gebiete Polens geschlossen für Kaczynski gestimmt. Alle westlichen für Komorowski. Nur genau in der Mitte, in der Wojewodschaft Łódź, konnten sich die Menschen nicht eindeutig entscheiden. Hier ist die Wahl unentschieden ausgegangen. Das Ergebnis ist symbolisch für die Stimmung im Land. Polen hat sich verändert und nicht Bronislaw Komorowski hat die Wahl gewonnen, schreibt die normalerweise Komorowski-freundliche Gazeta Wyborcza.
Vielmehr hat Jaroslaw Kaczynski die Wahl verloren. Die IV. Republik hat sich bei der Hälfte der Polen doch zu tief ins Gedächtnis eingebrannt, als dass man sie zurückhaben wolle. Trotzdem hat Kaczynski erstaunliche acht Millionen Stimmen geholt, kommentiert die Zeitung. Und das ist ein nicht zu unterschätzendes Kapital für die anstehenden Kommunalwahlen. Die Bürgerplattform PO muss nun aufpassen. Sie habe einen enttäuschenden Wahlkampf gezeigt, das Ergebnis sei eine Warnung für die Partei. Wenn es ihr nicht gelingt, die Polen wieder zu mobilisieren, so die Zeitung, wird sich bei den nächsten Wahlen wohl mehr als die Hälfte der Bürger für die Partei Recht und Gerechtigkeit entscheiden.
Doch auch vor Bronislaw Komorowski liegt nun eine schwere Aufgabe. Er muss einlösen, was er im Wahlkampf versprochen hat. Er muss ein überparteilicher Präsident sein, der das Land, das im Moment so tief gespalten ist, eint. Wir erwarten, schreibt die Gazeta Wyborcza, dass Komorowski die Opposition mit Respekt behandeln wird und dass seine Präsidentschaft geprägt sein wird vom Streben nach Modernisierung des Staates.
RZECZPOSPOLITA: Alle haben gewonnen – außer Tusk
Auch die konservative Rzeczpospolita sieht Jaroslaw Kaczynski als eigentlichen Sieger der Präsidentschaftswahlen. Er hat ein Ergebnis erreicht, das er sich mit Sicherheit nie erträumt hätte, so die Zeitung. Im Lager der PiS war daher am Abend auch keine Spur von Enttäuschung. Nach der ersten Runde der Wahl, das heißt, innerhalb von zwei Wochen, hat Kaczynski es geschafft, die Hälfte der Polen auf seine Seite zu ziehen. Er und seine Partei werden damit zu einem ebenbürtigen Gegner für die PO bei den anstehenden Kommunalwahlen.
Haben also im Endeffekt alle bei diesen Wahlen gewonnen? Nein, schreibt die Rzeczpospolita. Es gibt einen, der verloren hat – und zwar Premierminister Donald Tusk. Er hat nun, da Bronislaw Komorowski Präsident ist, keine Ausrede mehr, warum wichtige Reformen nicht umgesetzt werden. Als Lech Kaczynski noch sein Gegenspieler war, konnte Tusk viel auf ihn und dessen Vetorecht gegen Reformpakete schieben. Mit Komorowski an der Macht fällt dieses Alibi nun weg. Komorowski wird Vorgaben der Regierung wohl kaum blockieren, schreibt die Rzeczpospolita. Tusk ist also im Zugzwang, seiner Amtszeit endlich eine Wendung zu geben und Veränderungen durchzusetzen, so die Rzeczpospolita.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: PO zahlt hohen Preis für die Macht
Ein ähnliches Fazit wie die Rzeczpospolita zieht auch die Zeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Die Bürger haben sich im Endeffekt für Bronislaw Komorowski und die PO entschieden in der Hoffnung, dass die Liberal-Konservativen besser mit den Herausforderungen klarkommen, vor denen Polen im globalen Kontext steht. Doch die PO von heute ist nicht die PO, die 2007 bei den Parlamentswahlen gewählt wurde, konstatiert die Zeitung. Sie hat bisher keinen ihrer ambitionierten Reformpläne in die Tat umgesetzt. Einige Reformen wurden nur vorgetäuscht, für das Scheitern anderer wurde der frühere Präsident Lech Kaczynski verantwortlich gemacht. Von den großen liberalen Ideen ist nichts mehr vorhanden in der aktuellen PO. Schlimmer noch, meint die Zeitung: Komorowski hat unter dem Druck der öffentlichen Meinung auch noch die letzten Pläne über eine grundlegende Verbesserung des Staates zurückgezogen. Das sei der Preis, den die PO zahlen musste, um die mächtigste Partei seit Zusammenbruch des Kommunismus zu werden. Begriffe wie „Liberalismus“, „Privatisierung“ oder „Freiheit des Marktes“ sind aus dem politischen Wortschatz der PO verschwunden. Sie muss sich nun entscheiden, was sie umsetzen möchte: wirtschaftliches Wachstum oder eine konfliktfreie Regierung. Zum Wohle des Staates sei es sicher besser, wenn sich die PO wieder auf ihre Grundideen besinnt, schreibt die Zeitung Dziennik.
ele