GAZETA WYBORCZA: PiS-Ermittlungskommission ist reine Propaganda
Drei Monate liegt die Katastrophe nun zurück. Am Samstag wurde noch einmal an die 96 Opfer, die beim Absturz der Präsidentenmaschine in der Nähe von Smolensk ums Leben gekommen waren, erinnert. Gleichzeitig macht sich Unmut über die Arbeit der Ermittlungskommission breit, denn noch immer liegen kaum Ergebnisse vor, die den Absturz erklären könnten. Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat nun eine eigene Kommission gegründet, die parallel zur offiziellen russisch-polnischen Kommission arbeiten soll. Eine reine Propaganda-Gruppe meint dazu heute die Gazeta Wyborcza (Zespół propagandowy). Die PiS erwecke den Anschein, sie könne damit etwas bewirken. In Wahrheit habe die berufene Gruppe keinerlei Befugnisse und könne nur eines: reden. Grund dafür, so schreibt die Zeitung, ist die Tatsache, dass keine Kommission, keine parlamentarische Vereinigung und kein Parlamentarier selbst das Recht hat, vom Generalstaatsanwalt Aussagen über bestimmte Vorgänge zu fordern. Der Generalstaatsanwalt hat aber nun einmal das Sagen in der offiziellen Ermittlungskommission. Und er hält alle Untersuchungsakten unter Verschluss. Die Untersuchungsgruppe der PiS hat also keinerlei Zugang zu Ergebnissen, bevor sie nicht öffentlich gemacht werden. Sie kann in keiner Hinsicht Einfluss nehmen auf die schnellere oder bessere Bearbeitung der Angelegenheit. Zwar könnte sie vom Premierminister zusätzliche Informationen fordern, denn er hat Zugriff auf die Ergebnisse. Aber auch er darf sie nur mit Zustimmung des Generalstaatsanwalts weitergeben. Auf legalem Wege kommt die PiS-Untersuchungsgruppe also nicht an die Akten heran. Ihre Bildung hatte demnach nur einen Sinn: Propaganda, schreibt die Gazeta Wyborcza.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Jugend ist misstrauischer gegenüber Russland
Die Zeitung Dziennik/Gazeta Prawna beschäftigt sich heute mit den polnisch-russischen Beziehungen drei Monate nach der Katastrophe und veröffentlicht die Ergebnisse einer Umfrage (Zaczęło się polsko-rosyjska odwilż). Demnach glauben 40 Prozent der Polen, dass sich die Beziehungen zu Russland nach der Katastrophe verbessert haben. Natürlich trauen die meisten Polen Russland noch immer nicht hundertprozentig über den Weg und fürchten, wieder von dem Imperium dominiert zu werden. Aber die Katastrophe von Smolensk wird von den meisten doch als eine Art Annäherung gesehen.
Auffällig ist, schreibt Dziennik, dass die junge Generation viel misstrauischer gegenüber Russland ist, als die Älteren. Dabei haben die Jungen keinerlei persönliche Erfahrung mit Russland. Dziennik erklärt das Misstrauen vor allem mit dem Internet. Dort überschlagen sich die Gerüchte um mögliche Verschwörungstheorien gegenüber Polen und im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz. Viele junge Leute ließen sich davon beeindrucken, schreibt Dziennik.
GAZETA WYBORCZA: Provokative Erinnerung an Jedwabne
Noch ein Erinnerungsdatum beschäftigt heute die Zeitungen: Vor 69 Jahren, am 10. Juli 1941, wurden in dem Dorf Jedwabne im Nord-Osten Polens 300 Juden in einer Scheune bei lebendigem Leibe verbrannt (Spłonęła stodoła. I co z tego wynika?). Anders als lange vermutet, waren nicht die Deutschen dafür verantwortlich, sondern die eiheimische polnische Bevölkerung. Der Aktionskünstler Rafał Betlejewski hat nun Jedwabne noch einmal inszeniert. Er brannte eine Scheune nieder, darin befanden sich Briefe von Polen, die ihre negativen Gedanken über Juden aufgeschrieben hatten. Betlejewski wollte mit der Aktion vor allem eines erreichen: Die Polen sollten das verlorengegangene Gefühl des gemeinsamen Leidens mit den Juden wieder spüren. Er sei sich durchaus darüber im Klaren gewesen, dass seine Aktion auf Protest stößt, meint Betlejewski in der Gazeta Wyborcza: „Zum einen bei den Juden, denn zum ersten Mal wird ihr Leiden in so direkter Art und Weise benutzt, zum anderen bei den Polen, weil jemand sie zwingt, noch einmal auf ihr Verbrechen zu schauen“, so Betlejewski.
500 Menschen waren gekommen. Viele Polen fühlten sich provoziert. Auch die meisten Juden protestierten gegen die Aktion. Schließlich sei ihr Leiden keine Show gewesen. Und auch die Gazeta Wyborcza selbst stellt die Frage: „Eine Scheune hat gebrannt. Und was bringt das?“
ele