GAZETA WYBORCZA: Beim Streit um das Kreuz haben alle verloren
Bei der Schlacht unter dem Kreuz haben alle verloren. Dieses Resümee zieht heute die Gazeta Wyborcza in ihrem Kommentar auf der Titelseite (Bitwę pod krzyżem przegrali wszyscy). Zunächst einmal hat der Staat verloren, denn er hat gezeigt, dass er seine Säkularität nicht durchsetzen kann. Er ist schwach und es reichte eine Gruppe Protestierender, damit er sich beschämt von seinem lange geplanten Vorhaben, das Kreuz in die Kirche zu versetzen, abbringen ließ. Es war ein Triumph der Anarchie und des Fanatismus. Die Republik hat sich im Bezug auf das Kreuz hilflos gezeigt. Das Kreuz ist damit kein religiöses Symbol mehr, sondern ein politisches.
Aber auch die Kirche hat verloren, meint die Gazeta Wyborcza. Denn der Priester, der die Feierlichkeiten abhalten sollte, musste sich von den Gläubigen zurufen lassen „Weg mit dem Kommunismus!“ Das ist eine Niederlage, vor allem des Warschauer Erzbischofs Kazimierz Nycz. Wäre er selbst am Ort des Geschehens aufgetaucht, hätten die Protestierenden vielleicht Platz gemacht. Aber so haben alle verloren: Die Gläubigen und die Nichtgläubigen.
Die Zeitung macht aber auch der Partei Recht und Gerechtigkeit PiS schwere Vorwürfe, die die sogenannten Verteidiger des Kreuzes unterstützt hatte. Die Partei hat die Emotionen angeheizt und so zu einem entscheidenden Teil zum gestrigen Geschehen vor dem Präsidentenpalast beigetragen. Doch auch die PiS hat verloren. Denn sie ist die Partei, die stets den starken Staat preist. Nun hat sie zur Schwächung der Republik beigetragen. Soll das ein Triumph sein?, fragt die Gazeta Wyborcza. Zum Abschluss des Kommentars steht ein glühender Apell: Die Republik darf sich nicht erpressen lassen – von niemandem!“
RZECZPOSPOLITA: Die Regierung hat schwere Fehler begangen
Auch die Zeitung Rzeczpospolita beschäftigt sich in ihrem Kommentar mit dem Kampf um das Kreuz, macht jedoch der Regierung schwere Vorwürfe (Zwyciężyła siła tłumu). Sie habe in der Sache viele Fehler begangen. Zunächst einmal sei die Entscheidung über die Verlegung viel zu überhastet getroffen worden. Die Meinung der Protestierenden sei nicht einbezogen worden. Außerdem hat sich die Regierung hinter der Entscheidung des städtischen Denkmalschutzbeauftragten versteckt. Genau der Denkmalschutzbeauftragte, der schon in anderen Sachen nicht gerade ruhmvoll und entschlossen reagiert habe. Und in der Sache mit dem Kreuz hat er nun eben beschlossen, dass es nicht vor dem Palast stehen bleiben darf. Punkt. Völliger Quatsch, kommentiert die Rzeczpospolita, denn der öffentliche Raum vor dem Palast kann nicht ein für allemal geschlossen werden.
Es ist einfach schade, schreibt die Zeitung, dass in dieser Sache keine öffentliche Diskussion geführt wurde. Dass keine Stadtbewohner, Künstler und Architekten zu Wort kamen. Sie hätten die angespannte Situation sicher beruhigen können.
Die Rzeczpospolita stellt sich aber auch nicht vollkommen hinter die Verteidiger des Kreuzes. Wem sollte diese Show denn dienen? Den Opfern der Katastrophe? Der Aufklärung der Katastrophe? Sollte sie ein Beweis des wahren Glaubens sein? Es ist schwer auszumachen, aber eines sei sicher: Die Folgen ihrer Aktion werden schrecklich sein, konstatiert die Rzeczpospolita.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Boykott als neue Form des Kunden-Protests
Die Zeitung Dziennik/Gazeta Prawna beschäftigt sich heute noch einmal mit der Bierwerbung gegenüber dem Krakauer Wawel. Mit dem Slogan „Durstig nach Eindrücken? Ein kaltes Lech“ wollte die Vereinigung der Bierbrauer den Verkauf der Marke Lech ankurbeln. Da im Wawel der frühere Präsident Lech Kaczynski begraben liegt, hielten viele den Slogan für pietätlos und riefen zum Boykott von Lech auf. Die Bierbrauer sind nicht die ersten, die diese neue Art des Verbraucher-Protestes trifft, schreibt nun Dziennik (Firmy przegrywają z masowym bojkotem konsumentów). In diesem Jahr wurden schon der Ölkonzern BP, die Supermarktkette Carrefour und der Getränkehersteller Coca Cola Opfer der Massen. Als zum Beispiel bekannt wurde, dass sich Carrefour-Mitarbeiter auf einen roten Punkt stellen müssen, um zu signalisieren, dass sie eine kurze Pause brauchen, haben rund 2000 Kunden im Internet zum Protest aufgerufen. Natürlich gibt keine der Firmen zu, finanziellen Verlust gemacht zu haben. Aber Boykott-Aktionen werden immer beliebter bei den Menschen. Das hat zwei Gründe, schreibt Dziennik: Zum einen lassen sich Aktionen über das Internet schnell und einfach verbreiten. Zum anderen sind sie viel billiger als aufwendige Gerichtsprozesse, schreibt Dziennik.
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