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Vom Zentrum in die Peripherie

24.03.2011

Keine Baustelle fällt in Warschau derzeit so auf, wie die um das neue Nationalstadion für die Fußball-Europameisterschaft 2012. Da wo jetzt Bagger schaufeln und Kräne schwenken, standen einst die Verkaufsbuden eines der größten Jährmarkte Europas. Für die Händler blieb kein Platz – sie mussten im vergangenen Jahr umziehen. Als Ersatz stellte die Stadt ein Gelände in einem Warschauer Außenbezirk bereit. Wie sich die Situation seitdem verändert hat, darüber sprach Paul Sklorz mit Händlern, Kunden und Betreibern der neu entstandenen Markthallen namens „Marywilska 44“.

Boguslaw Lorenc sitzt hinter seiner Kasse und wartet auf Kunden. Doch kaum einer von ihnen verirrt sich in seinen Klamotten-Laden. Es ist Mittwoch, die meisten Käufer kommen erst am Wochenende. Er ist bereits seit 24 Jahren im Geschäft, hat früher - wie etwa 30 Prozent hier - auf dem Jahrmarkt gehandelt. Für seine Verkaufsbox zahlt Lorenc nun doppelt so viel, wie für seinen Stand am Stadion. Wie vielen Händlern, machen auch ihm die höheren Mieten zu schaffen. Im Vergleich zu früher sei aber auch Vieles besser geworden:

„Es hat sich insofern etwas getan, als dass die Bedingungen am Stadion schwieriger waren. Der ständige Wechsel des Wetters, warm und kalt. Hier ist es sauber und warm. Das ist eine erhebliche Veränderung zu früher“.

Lorenc gehört zu den zufriedenen Händlern. Sein Verkaufsstand steht an der Hauptallee, die im Einkaufszentrum zu den beliebtesten Orten gehört. Je weiter der Weg jedoch in die Randbereiche der sechs Hallen führt, desto trister wird das Bild. Leer stehende Verkaufsboxen, vereinsamte Geschäfte und Händler, die an der Kasse eingeschlafen sind. Der Unmut hier ist groß, doch kaum jemand traut sich darüber zu sprechen. Einer der Händler macht seinem Unmut schließlich Luft. Er möchte anonym bleiben, fürchtet Repressalien seitens der Hallenbetreiber:

„Die Händler stehen hier, aber es kommen kaum Käufer, so dass es schwer ist, die Mieten zu bezahlen. Man sollte diese daher vor allem am Anfang mindern. Wenn das Geschäft anläuft, könnte man diese ja entsprechend erhöhen.“

Die Hallenbetreiber verweisen indes auf ihre Kosten. Im Januar ist in Polen die Umsatzsteuer von 22 auf 23 Prozent angestiegen. Die Mieten seien gleichgeblieben, so eine Sprecherin von „Marywilska 44“. Außerdem erhalten die Händler Rabatte von bis zu 25 Prozent, wenn sie ihre Mieten rechtzeitig bezahlen und sich an die Öffnungszeiten halten. Um dem Kundenmangel entgegenzuwirken, werden kostenlose Shuttle-Busse eingesetzt. Die kommen bei den Kunden gut an. Die Meinungen über das Einkaufszentrum sind dennoch gespalten. Einige Kunden vermissen den alten Basar am Stadion:

„Die Atmosphäre am Stadion war unvergleichbar. Eine richtige Handels und Basar-Atmosphäre im Gegensatz zu der eines Geschäftes.“

Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich Käufer und Verkäufer an den neuen Standort gewöhnt haben. Die Hallenbetreiber planen indes einen Ausbau. Unter anderem sollen ein Baumarkt und ein Kino entstehen. Ob „Marywilska 44“ damit an die einstige Anziehungskraft des Jahrmarkts Europa anknüpfen kann, bleibt allerdings fraglich.

 

Autor (Text + Photos): Paul Sklorz