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Smolenskberichte – die fünf wichtigsten Unterschiede

03.08.2011

Gazeta Wyborcza: Ehre statt Wahrheit

Die polnische Untersuchungskommission von Innenminister Jerzy Miller und die zwischenstaatliche Flugkommission MAK streiten über die Wahrheit zur Smolensk-Katastrophe.

In einem Kommentar dazu fragt der Gazeta Wyborcza-Publizist Waclaw Radziwinowicz, weswegen die zwischenstaatliche (wenn auch in Wirklichkeit russische) Flugkommission MAK die gestrige Pressekonferenz eigentlich zusammengerufen hat? Wenn sie Anmerkungen zum polnischen Bericht habe, dann hätte MAK sie doch Warschau in schriftlicher Form überreichen können. Oder den polnischen Experten ein Treffen vorschlagen.

Aber nein, so Radziwinowicz weiter – MAK hat es vorgezogen, eine Medien-Show zu veranstalten. Der Grund: der Kommission gehe es nicht um Wahrheit. Sie wolle vor allem die Ehre der russischen Armee verteidigen.

Für das heutige Russland, lesen wir weiter in dem Kommentar, sei das typisch. Die Flugkommission MAK habe sich schon von Beginn der Untersuchung an nicht wie eine unabhängige Institution verhalten, sondern wie eine Abteilung des Außenministeriums. Das erinnere auch an das Verhalten der russischen Hygienebehörde. Die unzähligen Krankenhäuser ohne warmes Wasser bemerke diese nicht. Ebenso wenig Schulen, in denen man im Winter zur Toilette nach draußen gehen müsse. Dafür entdecke sie aber einen Mikroben in Wein aus Georgien, dem Land, das Russland zutiefst beleidigt habe. So ist das nun mal in einem Staat, in dem es keine unabhängigen Institutionen gibt, so Radziwinowicz in seinem Kommentar zum polnisch-russischen Streit über die Smolensk-Katastrophe.

 

Rzeczpospolita: Smolenskberichte – die fünf wichtigsten Unterschiede

Die Rzeczpospolita zählt die fünf wichtigsten Unterschiede zwischen den Berichten der russischen und der polnischen Untersuchungskommission auf:

Erstens hält Russland an der These fest, dass die polnischen Piloten bis zum Ende versucht haben, um jeden Preis zu landen. Laut der polnischen Kommission indes, ist es zu dem Unfall bei dem Versuch gekommen, durchzustarten. Der Beweis dafür: General Blasik hatte kurz vor der Katastrophe den entsprechenden Befehl erteilt.

Zweitens: Polen betont, dass die russischen Fluglotsen Fehler begangen haben. Der Tower hätte die Landung abbrechen sollen, als sich das Flugzeug auf einer Höhe von 100 Metern befand. Das Kommando fiel, als der Tupolew 14 Meter über der Erde war. Die russische Seite sieht darin, dass die Flughafenbedienung behauptet hat, das Flugzeug sei auf dem richtigen Kurs, keinen Fehler des Towers.

Drittens: Es bleibt unklar, wie der Zustand der Radargeräte auf dem Flughafen bei Smolensk war. MAK behauptet, es gebe keine Videoaufnahme, die das Verhalten der Kontrollgeräte auf dem Flughafen registriert hätte. Kleiner Haken an der Erklärung: vor Arbeitsbeginn hatten die Fluglotsen die Kamera nachweisbar überprüft. Sie funktionierte.

Viertens: Russland behauptet, es sei kein Druck auf die Fluglotsen in Smolensk ausgeübt worden. Das Verhältnis von Oberst Krasnokutski und dem Team im Tower sei eine Zusammenarbeit gewesen, bei der „gemeinsam Entscheidungen herausgearbeitet wurden“. Aus den Aufnahmen, auf die sich die polnische Kommission beruft, geht indes hervor, dass Oberst Krasnokutski den Kontrolleuren Befehle erteilt hat: „Du führst ihn auf 100 Meter runter, ohne Diskussion“, ist eines der für Polen wichtigen Zitate.  

Fünftens: MAK ist dafür davon überzeugt, dass der sich im Cockpit befindende General Blasik Druck auf die polnischen Piloten ausgeübt hat. Die polnische Kommission macht darauf aufmerksam, dass Blasik die Piloten zwar vielleicht dekonzentriert hat. Beweise für eine Druckausübung gebe es jedoch nicht.

 

Rzeczpospolita: Mission impossible

Wir bleiben bei der Rzeczpospolita. Der Publizist der Zeitung Piotr Gociek  kommentiert in der aktuellen Ausgabe den Amtsantritt des neuen Verteidigungsministers Tomasz Siemoniak. Siemioniak, so Gociek, habe sich am Tag seiner Nominierung einen Hagel von Wünschen anhören müssen. Die regierende Bürgerplattform erwarte von ihm, dass er die im polnischen Smolensk-Bericht enthaltenen Direktiven umsetzt. Die Linkenpartei SLD möchte, dass Siemoniak nur verwaltet (wenigstens, so der Kommentator, bis zu den Wahlen. Danach würden die Linken das Verteidigungsressort nämlich gerne übernehmen). Die Recht und Gerechtigkeit PiS wolle die Ehre der polnischen Armee verteidigt sehen und die Bauernpartei PSL wünsche sich, dass endlich „Ordnung herrscht“ in der Armee. Dazu, so Gociek, kommen unzählige Postulate von Experten und von ehemaligen Beamten des Verteidigungsressorts.

Woher die Fülle an Erwartungen? Trotz aller Versicherungen von Premierminister Donald Tusk, dass das Verteidigungsressort sich unter Ex-Minister Bogdan Klich großartig geschlagen habe – um die  polnische Armee, betont der Publizist, sei es wirklich schlecht bestellt. Es gebe also einiges zu reparieren. Natürlich müssen, wie von Innenminister Miller postuliert, das Schulungs- und Kontrollsystem in der Armee auf Vordermann gebracht werden. Doch die Krankheit der polnischen Armee sei viel tiefer verwurzelt. Für vieles könne man die alteingesessenen Generäle verantwortlich machen, die Trägheit des Systems. Für einige Missständen sei Ex-Verteidigungsminister Bogdan Klich verantwortlich. Doch um die polnische Armee zu reformieren, brauche es noch etwas: eine klare Vision, was für eine Armee es sein, wozu sie dienen und nach welchen Regeln sie funktionieren soll. Das sei keine Aufgabe für den Verteidigungsminister, sondern für den Premier und den Staatspräsidenten. In diesem Bereich geschieht leider so gut wie nichts, so Piotr Gociek in der Rzeczpospolita.

Autor: Adam de Nisau

Redaktion: Joachim Ciecierski