• 22.05.2009

DZIENNIK: Keiner wollte die Geschichte relativieren

Der Spiegel-Artikel über Hitlers europäische Helfer beim Judenmord sorgt weiterhin für Kontroversen. In einem Gespräch mit der Tageszeitung Dziennik (Nie chcieliśmy zmieniać historii ostatniej wojny) erklärt der Spiegel-Journalist Jan Puhl die eigentliche Absicht der Hamburger Wochenzeitschrift. Während des Redaktionstreffens habe man den Fall Demjanjuks besprochen. Dabei kam die Frage auf, ob es sich bei dem Ukrainer um einen Ausnahmefall handle, oder ob es öfters vorkam, dass die Menschen in besetzten Ländern mit den Nazis zusammengearbeitet hatten. Sie wollten prüfen, wie das Problem im breiteren Kontext ausgesehen habe, inwieweit die Opfer von Nazi-Deutschland zur Zusammenarbeit gezwungen wurden, und inwieweit sie sich dafür selbst entschieden hatten. Keiner wollte die Geschichte des II. Weltkrieges relativieren, versichert Jan Puhl. Dieser Artikel lasse doch keine Zweifel darüber entstehen, dass die Deutschen für den Holocaust verantwortlich seien. Die Pogrome, die in besetzten Ländern, wie zum Beispiel Polen, stattfanden, könne man mit der Massenvernichtung von Juden in Konzentrationslagern nicht vergleichen, so Jan Puhl.

 

RZECZPOSPOLITA: Spiegel-Artikel sorgt für Kontroversen

Für welche Emotionen der Spiegel-Artikel in der polnischen Öffentlichkeit sorgt, zeigt eine Karikatur in der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita (Komentuje Andrzej Krauze). Drei Männer sitzen an einem Tisch und diskutieren. Wahrscheinlich handelt sich bei der Sitzung um ein Redaktionsgespräch. Einer von ihnen sagt mit einem nachdenklich wirkenden Gesicht: „Wir sollten uns bei den Deutschen für den II. Weltkrieg entschuldigen. Vielleicht werden sie uns verzeihen….”

In dem Blatt finden die Leser auch einen Kommentar des israelischen Politikers, Szewach Weiss (Znak Kaina na niemieckim czole). Seit dem Ende des II. Weltkrieges seien schon 64 Jahre vergangen. Der Großteil der Deutschen sei nach dem Krieg geboren worden. Fast die ganze Nation habe also gar nichts mehr mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen zu tun. Es gäbe aber so etwas, wie die historische Verantwortung. Eine Verantwortung für das größte Verbrechen in der Geschichte der Menschheit, den Holocaust, der ein deutsches Verbrechen gewesen war. Der Spiegel kritisiere polnische Bauern, die beim Judenmord geholfen haben sollen, führt Weiss fort. Er habe polnische Bauern während des Krieges kennen gelernt - sie hätten ihm das Leben gerettet. Das polnische Volk kann auf seine Bauern stolz sein, schreibt in seinem emotionsgeladenen Kommentar Szewach Weiss.

 

DZIENNIK: Ob Schwanns Traum wahr wird?

Die heutige Presse widmet sich nicht nur der deutsch-polnischen Vergangenheit. Die Tageszeitung Dziennik (Chcę przemówić w Sejmie po polsku) blickt nach Vorne und bringt ein Gespräch mit Gesine Schwann, die um den Posten des Bundespräsidenten kämpft. Laut Schwann zeigen die Deutschen immer noch zu wenig Verständnis für das polnische Misstrauen gegenüber Moskau. Sie möchte ihren Landsleuten erklären, dass die Polen das Wort Moskau ganz anders assoziieren als die Deutschen. Sie wolle auch daran erinnern, dass Polen gleichrangig mit Russland betrachtet werden möchte und das müsse man akzeptieren. Aber sie appelliere auch an die Polen, den deutschen Gesichtspunkt zu verstehen. Deutschland fühle sich für den Annäherungsprozess Russlands an Europa verantwortlich.
Sie hätte auch einen Traum, sagt Gesine Schwann. Sollte sie Bundespräsidentin werden, möchte sie Warschau einen Besuch abstatten und vor den wichtigsten Vertretern der polnischen Nation eine Rede halten. Eine Rede auf polnisch im polnischen Parlament. Sie sei der Meinung, dass mehr Deutsche die polnische Sprache lernen sollten, so Gesine Schwann für die Tageszeitung Dziennik. 

 

kk