• Schuldig, Unschuldig?
  • 13.01.2012

Der ehemalige Innenminister Czeslaw Kiszczak ist zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden. Der mitangeklagte ehemalige erste Sekretär der regierenden PZPR, Stanislaw Kania ist freigesprochen worden. Nach Meinung des Gerichts war er mit der gewaltsamen Bekämpfung der Oppositionsbewegung nicht einverstanden.

Im Kommentar der konservativen Rzeczpospolita lesen wir:  Zum ersten Mal hat ein polnisches Strafgericht ein Regierungsmitglied der Volksrepublik Polen für die Ausrufung des Kriegszustandes verurteilt. Darauf haben die Polen 30 Jahre lang gewartet. Das Warten habe sich aber gelohnt, schreibt das Blatt. Zwar gebe das Urteil den vom Regime ermordeten Oppositionellen nicht das Leben zurück. Aber im Zentrum stehe die historische Lehre für die nächsten Generationen.

Die linksliberale Gazeta Wyborcza argumentiert differenzierter: Der Kriegszustand sei immer noch besser gewesen als eine – damals eben doch denkbare – Intervention des Warschauer Paktes, schreibt das Blatt und kritisiert die Instrumentalisierung des Kriegsrechts für politische Ziele. Das Urteil markiere nicht das Ende der Geschichtsforschung, lesen wir in der Gazeta Wyborcza.

 

GW/RZ: Ja und Nein für die Fiskalunion

Nicht nur die Verhängung des Kriegsrechts spaltet die Kommentatoren. Auch die zu Ende gegangene polnische EU-Ratspräsidentschaft wird unterschiedlich bewertet.     

Außenminister Sikorski hat gestern im Sejm erneut die Erfolge der polnische EU-Ratspräsidentschaft unterstrichen. Polen habe seine Position innerhalb der EU und auf der internationalen Bühne gestärkt, sagte Sikorski vor den Abgeordneten. Das Blatt Rzeczpospolita sieht das anders. Die Bedeutungslosigkeit Polens manifestiere sich in der jüngsten dänischen Entscheidung, das Land nicht einmal als Beobachter zu Beratungen der Eurozone zuzulassen. Polen dürfe deshalb nicht an dem Fiskalpakt teilnehmen, meint das Blatt.
Anderer Meinung ist die Gazeta Wyborcza, die für eine Teilnahme Polens an der Fiskalunion plädiert. Auch wenn Polen keinen Stuhl am Krisengipfel der EU habe, sollte Polen dem Fiskalpakt zustimmen, denn nur dadurch können die Folgen der Schuldenkrise im Euroraum für die polnische Wirtschaft minimalisiert werden, meint die Gazeta Wyborcza.

 

POLITYKA: Positive Bilanz der polnischen EU-Ratspräsidenschaft

Drei Tage nach der Übergabe des Zepters der EU-Ratspräsidentschaft an Dänemark, bilanziert das Magazin Polityka erneut die polnischen sechs Monate und kommt zu einem positiven Ergebnis. Dennoch sei Europa nach wie vor krank, schreibt das Magazin.  Polen dürfe nun nicht vergessen, was es Europa zu verdanken habe, sollte sich um den Beitritt zur Eurozone bemühen und müsse dennoch auch seine Verantwortung als Nationalstaat wahrnehmen. Trotz weiterhin bestehender Unterschiede, lesen wir weiter, müsse man, wo möglich, gemeinsame Initiativen etwa im Bereich der Energiepolitik ergreifen. Gerade auf dem Feld der erneuerbaren Energien müsse Polen dringendst umdenken, wenn es die Vorgaben der EU umsetzen wolle. Laut den europäischen Vorschriften müssen in Polen bis 2020 fünfzehn Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen kommen. Da hinke Polen weit hinterher, schreibt die Polityka. Zwar werden im Land immer mehr Windanlagen aufgestellt, dennoch beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtproduktion nur 2%.

Autor: Joachim Ciecierski
Redaktion: Adam de Nisau