• Sündenbock für Smolensk-Unglück gesucht
  • 18.01.2012
GAZETA POLSKA/GAZETA WYBORCZA: Sündenbock für Smolensk-Unglück gesucht

Auch heute bewegen die neuen Ermittlungsergebnisse über die Flugzeug-Katastrophe in Smolensk die Gemüter der Zeitungskommentatoren. Staatspräsident Lech Kaczynski und weitere hochrangige Staatsbedienstete sind bekanntlich bei einem Flugzeugabsturz im April 2010  ums Leben gekommen.

Die Militärstaatsanwaltschaft sowie Experten kamen in einem am Montag präsentierten Gutachten zu dem Ergebnis, dass Luftwaffenchef Blasik womöglich gar nicht mit im Cockpit der Unglücksmaschine saß. Bisher wurde angenommen, dass er sich widerrechtlich mit in der Führungskabine aufhielt und Druck auf die Piloten ausübte.

Heute wird daher ein wahrer Zeitungskrieg um die Deutungshoheit über Katastrophe geführt.

Die dezidiert nationalkonservative Zeitung „Gazeta Polska“ lässt Tomasz Sakiewicz zu Wort kommen, der seinen Kommentar betitelt: „Ein zweites Mal ums Leben gebracht“. Seiner Meinung ist die bisherige Belastung von Luftwaffenchef Blasik das „Kalkül einer russischen Lobby war“.

Sakiewicz führt weiter aus und meint, die Umständlichkeit, auf die Polen bei der Erlangung der Blackbox als auch weiterer Indizien, gestoßen sei, ließ erst Zeit für die Manipulierung und Forcierung der These, dass Luftwaffenchef Blasik Druck auf die Piloten ausgeübt habe.

Der Autor wird gar ausfallend, es würden „die frechsten Lügen“ gestreut – etwa, die von einem Streit zwischen Blasik und den Piloten noch vor Flugbeginn. So glaubt der Gazeta-Polska-Kommentator, der Flugzeugabsturz in Smolensk sei kein Unfall gewesen. Denn die meisten Indizien dafür seien seiner Meinung nach gefälscht.

Als Gegenpol dazu lohnt ein Blick in die eher linke Zeitung „Gazeta Wyborcza“. Dort schreibt Roman Imielski, selbst das neue Flugschreibergutachten habe ergeben, dass nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden kann, Luftwaffenchef Blasik sei doch nicht im Cockpit gewesen.

Doch sollte er sich gerade nicht auf der Brücke der Maschine befunden haben, so werfe das einen noch größeren Schatten auf die Piloten, die – wie herausgekommen ist – doch die genaue Höhe der Maschine kannten – und dennoch die Ruhe bewahrten und nicht entsprechend handelten.

Der Gazeta-Wyborcza-Autor bringt die Politik wieder ins Spiel und schreibt, es müsse daher das neue Gutachten mit den Aussagen von PiS-Chef Kaczynski konfrontiert werden. Denn dieser behauptete, die Besatzung habe keine Fehler begangen.


NASZ DZIENNIK: Katholischer Sender ohne Sendelizenz

Nächstes Thema: Die Nichterteilung der Sendelizenz für den katholischen TV-Sender TV Trwam. Die polnische nationale Rundfunk-Aufsichtsbehörde KRRiT verweigert dem Sender die Sendelizenz für die Verbreitung über das digitale terrestrische Fernsehen, kurz DVB-T. TV-Trwam gehört zum Imperium des umstrittenen katholischen Medienmoguls und Redemptoristenpaters Tadeusz Rydzyk.

Der Sender hatte bereits schon Widerspruch gegen einen zuvor ebenfalls negativen Ausgang der Lizenzerteilung eingelegt. Die Begründung des Rundfunkaussichtsrates: Die Finanzen des Senders sind nicht solide genug, zudem sei die Programmvielfalt nicht gegeben. Denn fast ausschließlich kirchliche Sendungen werden bei TV-Trwam ausgestrahlt.

Während die großen Zeitungen, wie die „Gazeta Wyborcza“ oder die „Rzeczpospolita“ diese Niederlage des katholischen Senders nur vermeldet, lohnt der Blick in das Blatt „Nasz Dziennik“. Die Zeitung gehört ebenfalls, wie auch der umstrittene Sender „Radio Maryja“ zum katholischen Medienimperium von Rydzyk und klagt folglich über die Entscheidung.

Jacek Dytkowski betitelt sodann seinen Kommentar trotzig: „Nie, bo nie“, zu Deutsch: Nein, weil nein! Er wirft ein, dass sich auch die polnische Bischofskonferenz, die sonst über den Redemptoristenpater Rydzyk eine gespaltene Meinung hat, die Stimme für den katholischen TV-Sender erhebt. Auch werden anderen Persönlichkeiten aus Politik und Wissenschaft zitiert.

Der Nasz-Dziennik-Redakteur Dytkowski sieht die Nichterteilung der Sendelizenz im DVB-T-Netz als eine „diskriminierende Entscheidung“ des Rundfunkrates. Er vergleicht TV-Trwam, mit anderen kleinen Sendern, die eine Sendelizenz erhalten oder darauf zählen können und kommt zum Schluss: „Es gibt Gleiche und Gleichere.“


RZECZPOSPOLITA: Flexible Arbeitsmodelle sollen Arbeitsmarkt beflügeln

Einen längeren Meinungsbeitrag veröffentlicht heute Jan Rutkowski auf den Wirtschaftsseiten der Zeitung „Rzeczpospolita”. Rutkowski ist Chefvolkswirt für Mittel- und Osteuropa bei der Weltbank und glaubt, flexiblere Arbeitsverträge könnten den polnischen Arbeitsmarkt beleben.

Der Weltbankökonom räumt zunächst mit dem Begriff auf. In Polen heißen Werkverträge, befristete Stellen und ähnliches, „Umowy smieciowe“ – was zu Deutsch so viel wie „Schrottverträge“ bedeutet.

Rutkowski glaubt, für diese abfällige Zuschreibung von flexiblen Arbeitsmodellen seien gerade Medien verantwortlich. Und bei dieser unglücklichen Namensgebung sei es kein Wunder, dass in Polen unbefristet Stellen ungern angetreten werden.

Dagegen, so schreibt der Weltbankmitarbeiter, könnten flexible Arbeitsverträge gerade junge Menschen in erste Beschäftigungsverhältnisse führen. Denn auch in Polen ist die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen noch sehr hoch.

Auf die Gefahren von solchen flexiblen Beschäftigungsverhältnisses geht Rutkowski auch ein: Urlaubsanspruch, oder Krankenversicherung und Rentenvorsorge fehle gänzlich. Doch, auch eine solche Beschäftigung sei noch immer besser als gar keine Beschäftigung.

Jedoch warnt der polnische Weltbankökonom, wenn ein Teil der Beschäftigten auf unbefristeten Stellen, ein anderer auf befristeten Stellen oder gar  mit Werkverträgen beschäftigt sei – das könne die Mitarbeiter in „gut“ und „schlecht“ teilen.

Das sei nichts Gutes, schreibt Rutkowski. Und aus Weg aus der Misere des polnischen Arbeitsmarktes sieht er nicht in der Einschränkung von flexiblen Arbeitsmodellen. Sondern umgekehrt: Die Flexibilisierung von Verträgen.

Autor: Markus Nowak
Redaktion: Joachim Ciecierski