Polityka: Europa im Aufwärts- oder Abwärtstrend?
Auf das Jahr 2009 fallen viele für die Europäische Union wichtige und geschichtsträchtige Jahrestage: Der 90-te Jahrestag des Versailler Abkommens, der 70-ste des Ribbentrop- Molotow- Paktes, der 60- te Jahrestag der Entstehung von zwei deutschen Staaten, der 20- ste des Falls des Kommunismus in unserem Teil des Kontinents und schließlich das 5- te Jubiläum des polnischen EU- Beitritts 2004.
Publizist Adam Krzeminski nutzt die Anhäufung dieser historischen Anlässe, um in der Wochenzeitschrift Polityka über die Zukunft der EU zu spekulieren und referiert zwei Prominente Prognosen zu der weiteren Entwicklung der Europäischen Union (Zdrowy zanik pamieci).
Wenn es, so Krzeminski, nach dem schottischen Historiker Niall Fergusson geht, ist die EU zum Scheitern verurteilt. Entgegen der offiziellen Kommunikate und des amtlichen Optimismus der Europäer, habe das Kontinent, laut Fergusson, nämlich das Schlimmste noch vor sich. Die Amerikaner wissen zumindest, dass sie es waren die die Krise heraufbeschworen haben und sind daher auch bereit, ihre Wirtschaft zu reformieren. Die Europäer hingegen, vor allem die Deutschen – stecken, Fergusson zufolge, in einem konservativen Nirvana, und glauben, das Schlimmste schon hinter sich zu haben. Im Endeffekt könnte diese Situation in zehn, zwanzig Jahren zu der Entstehung eines Chinamerika führen – zu der Domination zweier starker Wirtschaften auf beiden Seiten des Pazifik – und einer weitreichenden Marginalisierung Europas.
Ein gegenteiliges Szenario zeichnet, wie Krzeminski berichtet, der Experte der New America Foundation Parag Khanna. Laut Khanna werden die kommenden zwanzig Jahre der EU gehören. Zitat: „Ähnlich dem durch Karl den Großen wieder zum Leben erweckten Heiligen Römischen Kaiserreich, werden Armeen von in dunkle Uniformen gekleideten brüsseler Eurokraten beständig die baltischen Grenzländer Europas, den Balkan, und vielleicht sogar Anatolien, sowie den Kaukasus kolonisieren. Ihre heilige Schrift ist nicht die Bibel, sondern acquis communautaire, 35 Bänder des europäischen Rechts, das den Mitgliedsländern eine völlig neue Ordnung aufwirft. 2030 werden", so Khanna in seiner Prognose, "nicht nur die Türkei und die Ukraine Mitglieder der EU sein, sondern – wenn das Glück ein wenig mitspielt – sogar das entvölkerte und mürrische Russland."
Fazit: Auch über 50 Jahre nach ihrer Initiierung ist die EU kein abgeschlossener Vorgang sondern vielmehr ein Prozess mit offenem Ausgang, ein Prozess der ständiges Engagement, und ständige Arbeit daran erfordert, aus den Fehlern der Vergangenheit lernen zu wollen, so Krzeminski in der Wochenzeitschrift Polityka.
Wprost: Deutsche Lektion
In der Wochenzeitschrift „Wprost“ finden wir einen Kommentar zu der Entscheidung des deutschen Verfassungsgerichts zum Lissabonner Vertrag. „Nichts über uns, ohne uns“ – so in Kürze kann man laut „Wprost“ das Urteil der deutschen Richter zusammenfassen. Das Tribunal, erinnert das Blatt, hatte das Lissabonner Abkommen gebilligt,unter der Bedingung allerdings, dass die Rolle des deutschen Parlaments und des Verfassungsgerichts in der EU erhöht wird. Die Entscheidungen beider Institutionen sollen in zahlreichen Bereichen Vorrang gegenüber den Dekreten europäischer Institutionen erhalten.
Welche Lehren fließen aus der deutschen Lektion? Das Urteil der deutschen Verfassungsexperten, führt "Wprost" fort, ist ein indirekter Erfolg des so oft kritisierten Präsidenten Lech Kaczyński und der Eurorealisten aus Tschechien und Irland. Deswegen sollten die polnischen Politiker nun das Eisen schmieden solange es heiß ist, sich ein Beispiel an den Kollegen aus Deutschland nehmen und auch die polnischen Interessen in der Gemeinschaft sichern. Die Zeiten, als man Verteidiger nationaler Interessen und Kritiker gesetzlicher Pfuscherei als Feinde der EU beschimpfte sind nach dem Urteil des deutschen Verfassungsgerichts wohl hoffentlich vorbei.
adn