DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Ein Land versinkt in Trauer
Der Sarg mit den sterblichen Überresten von Lech Kaczynski ist gestern in Warschau angekommen. Noch am Flughafen nahmen Angehörige und führende Politiker Abschied von dem verunglückten Staatschef – der Sarg wurde in die Kapelle des Präsidentenpalastes überführt. Täglich lebt jeder für sich allein, gestern waren alle eng beieinander. Die Tragödie von Smolensk habe die Polen erneut in eine Gesellschaft verschmolzen, schreibt heute die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna (Razem w holdzie) auf der Titelseite. Es waren tausende Menschen, die am späten Nachmittag vor dem polnischen Präsidentenpalast in Warschau warteten. Dicht gedrängt standen sie zusammen. Manche haben die rot-weiße Fahne ihres Landes mitgebracht. Das ganze Land wollte Abschied von dem Präsidenten nehmen. Aus aller Welt sind Kondolenzschreiben eingeflossen. Die Gesten und Worte der Versöhnung die aus Moskau eingetroffen seien, werden die Polen noch lange in Erinnerung behalten. Plötzlich haben die Bürger das eigene Land mit anderen Augen gesehen. Ansonsten schwermütig und unbeholfen, wirkte Polen plötzlich sehr gut auf die Folgen der dramatischen Situation vorbereitet zu sein. Als ob die Polen plötzlich in einer neuen Wirklichkeit aufgewacht wären, so der etwas poetische Kommentar der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna zum vergangenen Wochenende in Polen.
GAZETA WYBORCZA: Auf der Suche nach den Unfallursachen
Nach der ersten Schock- und Trauerwelle tauchen in den polnischen Medien langsam auch die Fragen nach den Ursachen des tragischen Unfalls bei Smolensk auf. Polnische Experten weisen auf drei mögliche Störfaktoren hin – menschliches Versagen, ein Defekt der Maschine oder die schlechte Wetterlage. Das Letztere könne man ausschließen, schreibt die Tageszeitung Gazeta Wyborcza (Piloci zdecydowali: Ladujemy). Auch ein technisches Problem scheint unwahrscheinlich. Die Tupolew soll nach Angaben der russischen Staatsanwaltschaft keine technischen Mängel gehabt haben. Die Maschine vom Typ Tupolew TU-154 sei in einwandfreiem Zustand gewesen, sagte Chefermittler Alexander Bastrykin. Also verdichten sich die Hinweise auf ein menschliches Versagen beim Absturz der polnischen Präsidentenmaschine. Doch noch müssen die gefundenen Flugschreiber untersucht werden. Die Geräte wurden nach Moskau gebracht und werden dort von russischen und polnischen Spezialisten gemeinsam ausgewertet. In einem Gespräch mit dem Blatt sagt der russische Kosmonaut und Pilot, Magomed Talbojew, die Tupolew sei eine alte Konstruktion, die seit 42 Jahren benutzt wird. Doch auf diese Flugzeuge sei Verlass. Diese Maschinen seien ca. 60 Mal abgestürzt, doch nur in 6 – 8 Fällen sei ein technischer Defekt die Unfallursache gewesen. Er glaube an das Flugzeug, sagt Magomed Talbojew dem Blatt Gazeta Wyborcza.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Politisches Gleichgewicht schaffen
Überparteiliche Solidarität – das Wort tauchte in den Aussagen der polnischen Politiker am vergangenen Wochenende oft auf. Ganz sicher waren die Deklarationen auch ernst gemeint. Es ist verständlich, dass sich keiner über die Nachfolger der verunglückten Menschen bislang äußern will. Doch bald werden diese Fragen beantwortet werden müssen, meint die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna (Zjednoczeni w smutku). Wie soll das politische Gleichgewicht in Polen aussehen, nachdem die größte Oppositionspartei ihre wichtigsten Vertreter verloren hat. In der Katastrophe sind Politiker aller Fraktionen ums Leben gekommen, doch gerade die Opposition wurde intellektuell dezimiert. Sind die Präsidentschaftswahlen möglich, wenn zwei Parteien ihre Wahlkampfkandidaten verloren haben? Wie sieht die Repräsentation von verschiedenen Meinungen im öffentlichen Leben aus, wenn eine Partei die gesamte politische Szene dominieren könnte? Anstatt sich zu täuschen, dass es keinen politischen Streit in Polen mehr geben wird, sollte man überlegen, wie man der Opposition einen gerechten Zugang zu der Politik gewährleisten kann, so das Blatt Dziennik/Gazeta Prawna.