NEWSWEEK: Der Schatten des Flugzeuges
In einem Interview für die Wochenzeitschrift Newsweek (Cien samolotu) spricht der Philosoph Zbigniew Mikolejko das aus, was während der Staatstrauer bisher keiner auszusprechen wagte. Die Todesopfer des Flugzeugunglücks bei Smolensk würden keine Lehre für die Zukunft werden, wenn sich die Polen nicht verändern, meint Mikolejko.
Werde sich die Öffentlichkeit nur auf pathetische Gesten beschränken, werde die Nation keine Schlüsse aus der Tragödie ziehen, warnt der Philosoph. Es gäbe Situationen, wo die Vernunft siegen müsse, so Zbigniew Mikolejko weiter. Die Zukunft des Staates sei solch eine Situation. Er betont, dass zu starke Emotionen sehr oft zum Scheitern der Polen beigetragen hätten. Der Nebel über dem Flughafen von Smolensk habe eine sehr symbolische Dimension – eine andere aber, als man es ihm zuzuschreiben versucht. Dieser Nebel sei für Mikolejko die Verkörperung dessen, was oft in den polnischen Köpfen vor sich gehe. Die Polen würden sich zu oft von Gefühlen leiten lassen. Diese Emotionalität der Entscheidungen führe oft zu Tragödien. Die Gedenkfeierlichkeiten in Katyn am vergangenen Wochenende hätte man doch um einige Stunden verschieben können. Es hätte einige Komplikationen verursacht, aber das Flugzeug wäre sicher gelandet, und es gäbe jetzt keine Theorien über einen Schicksalsschlag - über ein zweites Katyn.
Er wolle den Tod der Opfer nicht marginalisieren, unterstreicht Mikolejko. Im Gegenteil: ihn hat das Unglück der Präsidentenmaschine sehr getroffen. Nicht nur, weil er viele Passagiere an Bord persönlich gekannt habe, sondern weil das ein unnötiger, ein überflüssiger Tod gewesen sei, so der Philosoph Zbigniew Mikolejko in der Wochenzeitschrift Newsweek.
RZECZPOSPOLITA, GAZETA WYBORCZA: Letzte Ruhe in Krakau
Das Präsidentenehepaar wird in einer Krypta des Königsschlosses in Krakau beigesetzt, berichtet heute die Tageszeitung Rzeczpospolita (Pogrzeb na wawelu) auf der Titelseite. Die Bestattungsfeierlichkeiten sind für Sonntag geplant. Für Krakau werde es eine Ehre sein, sagte Kardinal Stanislaw Dziwisz bei einer Pressekonferenz. Das Präsidentenehepaar werde neben denjenigen begraben, die ihrem Vaterland gedient haben, neben Königen und Helden. Der Präsident sei unter außergewöhnlichen, man könnte sogar sagen, unter heldenhaften Umständen ums Leben gekommen. Er sei nach Katyn geflogen, um den polnischen Märtyrern im Namen des gesamten Volkes die Ehre zu erweisen, erklärte Dziwisz seine Entscheidung. Bevor die Entscheidung über den Bestattungsort getroffen wurde, habe Kardinal Dziwisz mit Vertretern der Regierung sowie mit dem Bruder des verunglückten Präsidenten diskutiert. Es wurden dabei auch andere Möglichkeiten in Erwägung gezogen.
Man habe über den Powazki-Friedhof und die Johannes-Kathedrale in Warschau gesprochen. Kardinal Stanislaw Dziwisz hofft nun, dass die Beerdigung die Polen vereinen würde. Doch schon gestern waren kritische Stimmen zu hören.
Zu dem Krakauer Begräbnis lesen wir in der Tageszeitung Gazeta Wyborcza: Die Ehre für einen Mann, der im Dienste des Staates ums Leben gekommen ist, ist selbstverständlich, gerecht und unentbehrlich. Doch die Entscheidung, Lech Kaczynski und seine Gattin in einer Wawel-Krypta beizusetzen, ist - auch wenn es drastisch klingen mag - verfrüht und zu emotional. Ein angemessener Ort wäre die Johannes-Kathedrale, wo unter anderem Präsident Gabriel Narutowicz begraben wurde, der ebenfalls unter tragischen Umständen ums Leben kam. Oder Powazki, wo viele Warschauer Aufständische, denen Lech Kaczynski so nahe stand, ihre letzte Ruhe fanden. Die Bedeutung, die die Menschen, die auf dem Wawel-Berg begraben sind, für die polnische Geschichte hatten, ist über mehrere Generationen bestätigt worden. Das Schloss in Krakau ist kein gewöhnlicher Ort. Über die Beisetzung an diesem Ort sollte nicht nur die Familie entscheiden. Vielmehr sollte es das Resultat einer nationalen Diskussion sein. So wäre es würdig und demokratisch, soweit der Kommentar in der Tageszeitung Gazeta Wyborcza.