GAZETA WYBORCZA: Der dritte Mann
Grzegorz Napieralski wird in den nächsten Tagen einer der wichtigsten Politiker in Polen. Der Kandidat der Linken im Präsidentschaftswahlkampf erreichte das drittbeste Ergebnis. Da der Unterschied zwischen den Gewinnern Komorowski und Kaczynski sehr klein ist, werden höchstwahrscheinlich die Stimmen der linken Wähler über den Sieg in der Stichwahl am 4. Juli entscheiden. Beide Politiker überlegen nun, welche Taktik sie gegenüber den Linken und ihrem Chef anwenden sollten, schreibt das Blatt Gazeta Wyborcza (W konkury do lewicy). Das radikalste Zukunftsszenario entwirft in der Regierungspartei PO der Abgeordnete Janusz Palikot. Gehe die PO keine Koalition mit den Linken ein, werde Komorowski die Wahlen verlieren, meint Palikot. Seiner Ansicht nach würde ein Bündnis mit den Linken die Modernisierung des Landes beschleunigen. Komorowski, der gerade die polnischen Soldaten in Afghanistan besucht, bleibt hart. Er müsse nichts mehr versprechen. Er glaube, dass er bereits genug für die Linken getan habe, sagt der Präsidentschaftskandidat Komorowski. Der Chef der PO-Fraktion, Grzegorz Schetyna, teilt diese Ansicht. Es werde keine Koalition mit den Linken geben. Es gehe hier nicht um einen Tauschhandel, sondern um eine bestimmte Vision von Polen. Man müsse jetzt darüber diskutieren, ob die Linken die Vision der Bürgerplattform teilen.
Komorowskis Gegenkandidat Jaroslaw Kaczynski erinnerte gestern bei einem Treffen mit den Wählern in Stettin an die Politiker der Linken, die in der Flugzeugkatastrophe bei Smolensk ums Leben gekommen sind. Außerdem sagte er, man würde seiner Partei unterstellen, dass sie linksorientiert sei. Es könne sein, dass es in der Tat ein bisschen so ist, so Kaczynski. Vor wenigen Jahren bezeichnete zwar Jaroslaw Kaczynski die Linkspartei SLD als eine verbrecherische Organisation und forderte eine Delegalisierung der Partei. Gestern versprach Kaczynski aber, er werde jetzt das Wort „die Linken“ anstelle von „Postkommunisten“ verwenden.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Wer bietet mehr?
Wie wird Grzegorz Napieralski auf die Erklärungen der beiden Präsidentschaftskandidaten reagieren? Die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna (Wielki blef lewicy) spekuliert heute über die Taktik der Linken. Vermutlich gibt Napieralski Gas. Er will sich weiterhin mit den Wählern treffen. Er will mit Komorowski und Kaczynski verhandeln. Er will auch seine Wähler fragen, wen er letztendlich unterstützen soll. Doch der Ausgang dieser Gespräche ist bereits bekannt. Der Chef der Linken wird keinen der beiden Politiker unterstützen, schreibt das Blatt. Doch bis dahin versucht Napieralski zu ergründen, mit wem er ein besseres Geschäft machen könnte. Janusz Palikot von der PO hatte bereits das Amt des Vizepremiers für Napieralski vorgeschlagen. Die Partei PiS versichert, sie könnte mit den Linken im Bezug auf wirtschaftliche und soziale Fragen eine Sprache sprechen. Napieralski verhandelt, wird aber niemanden unterstützen. Das würde sich für ihn wohl nicht lohnen, so das Blatt Dziennik.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Szymborska made in China
In polnischen Buchhandlungen sind gerade ein Gedichtband von Wislawa Szymborska und ein Album mit Bildern des Malers Beksinski erschienen. Das wäre soweit nichts Besonderes, wären sie nicht in China gedruckt worden. Es kommt immer öfter vor, dass polnische Verleger ihre Bücher in China oder in Singapur drucken lassen. Die Preise der chinesischen Druckereien sind relativ niedrig, zugleich ist die Qualität sehr hoch. Die Polen schließen sich damit einem globalen Trend an, stellt die Tageszeitung Dziennik (Szymborska made in China) fest. Seit Jahren lassen Giganten des europäischen Büchermarktes aus England oder Deutschland ihre Bücher in China drucken. Die Druckerei-Branche in China boomt. Im Reich der Mitte gibt es bereits über 60 Tausend Druckereien in denen über 3,5 Millionen Menschen angestellt sind.