• Schwuler Premier in 15 Jahren?
  • 23.07.2010

Alle Wochenmagazine sprechen von der Europride-Parade.

Polityka: Polen ist kein homophobes Land

In der Polityka finden wir eine Beschreibung der Parade und Beispiele von Homosexuellen sowie Kommentare von ausländischen Gästen. Der Tenor: Polen ist kein homophobes Land. Als Beweis führt die Autorin des Artikels auf, dass es zu keinerlei Ausschreitungen gekommen ist. Es war aber auch eine sehr brave Parade im Vergleich zu den westeuropäischen: keine Obszönitäten, patriotische Orte wurden von der Parade gemieden,  lesen wir in der Polityka.

Polityka: Gerede vom Höllenfeuer ohne Chance gegen Schwulenbewegung

Jacek Zakowski von der Polityka bestätigt diese Diagnose. Vor 20 Jahren, schreibt er in seinem Kommentar zur Europride, habe niemand in Amerika geglaubt, dass ein Afroamerikaner Staatspräsident wird. Vor zehn Jahren sei es undenkbar gewesen, dass der deutsche Außenminister mit seinem Freund um die Welt reist und die Ministerpräsidentin von Island mit ihrer Frau. Aber all das sei nun passiert. Und in Polen werde es auch passieren. Grimassen, Affronts, Gebete und Gespräche über das Höllenfeuer würden das nicht stoppen können. Denn wir lebten nun einmal in solchen Zeiten. Und an eine in diese Richtung driftende Welt hätten wir uns vor 21 Jahren freiwillig angeschlossen, so Jacek Zakowski in seinem Artikel für das Magazin Polityka.

Wprost: Schwuler Premier in 15 Jahren?

Auch die Wochenzeitschrift Wprost zeigt Polen als zunehmend toleranten Staat. Das Magazin bringt ein Interview mit dem Mitorganisator der Europride in Warschau, Krystian Legierski. Legierski äußert darin die Meinung, dass die Polen, dafür dass Homosexuelle jahrelang als pervers und sündig galten, ihre Toleranzrückstände äußerst schnell nachholen würden. In 10, 15 Jahren könnte in Polen ein Homosexueller Premierminister oder Präsident werden, wenn er nur besser ist, als andere Kandidaten, glaubt Legierski.

Newsweek: Polen weiterhin intolerant

Weniger optimistisch sieht das Newsweek. Laut dem Wochenmagazin ist Polen, objektiv gesehen, weiterhin ein sehr intolerantes Land. Die Zeitschrift führt zur Begründung ihrer These viele Beispiele auf. Die Hauptthese: Früher hat sich die polnische Intoleranz vor allem im Antisemitismus ausgedrückt. Nachdem es in Polen mittlerweile nur noch sehr wenige Juden gibt, sind das neue Ziel von Attacken dunkelhäutige Fußballer, Studenten und Händler. Ein erträumtes Ziel ist auch der Homosexuelle, der sich mit seinem Coming out den selbsternannten Verteidigern der öffentlichen Moral auf dem Silbertablett serviert. Die neue Intoleranz, so Newsweek, unterscheidet sich von der alten nur in einem: Sie ist nicht mehr so direkt, sondern in das Gewand der heiligen Empörung und des patriotischen Pathos gehüllt, so die Newsweek.

Polityka: Nehmt Euch ein Beispiel am Ruhrgebiet!

Zum Schluss noch ein anderes Thema aus der Polityka. Das Blatt thematisiert den Wettkampf der polnischen Städte um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt 2016. Der Autor des Artikels rät den polnischen Veranstaltern dazu, in diesem Jahr nach Deutschland ins Ruhrgebiet zu fahren und zu sehen, wie man aus Industrieanlagen erfolgreich künstlerisches Kapital schlagen kann. Das Ruhrgebiet, so die Polityka, ist ein Vorzeigebeispiel für eine gelungene Vorbereitung auf die Funktion der Kulturhauptstadt.

Und die Zeit zum Lernen ist knapp. Schon in den kommenden Monaten werden alle polnischen Städte, die für den Titel der europäischen Kulturhauptstadt 2016 kandidieren, dem Kulturministerium ihre Vorschläge präsentieren müssen. Dann, so die Polityka, werden wir sehen, ob wir Europa auch noch mit etwas überraschen können.

 

adn