RZECZPOSPOLITA: Wałęsa enttäuscht die Szczeciner
Streit und Missgunst. Das ist der Beigeschmack, den die Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum der Gewerkschaft Solidarnosc haben. So kommentiert etwa die Zeitung Rzeczpospolita die Abwesenheit Lech Walesas in Szczecin (Lech Wałęsa wybrał Gdańsk). Hier war vor 30 Jahren die erste Vereinbarung zwischen der polnischen Arbeiterpartei und dem Streikkomitee unterschrieben worden – der erste Schritt zur Gründung der Solidarnosc also. Viele, die zu den Feierlichkeiten in Szczecin gekommen waren, waren enttäuscht, dass die Legende der Solidarnosc nicht erschienen war. Sie hatten gehofft, Walesa die Hand schütteln zu können. Doch Walesa hatte sich mit Verweis auf seinen Gesundheitszustand an diesem Tag für Gdansk entschieden. Er könne nicht an allen Feierlichkeiten teilnehmen, gab er bekannt. Dass er jedoch Gdansk und nicht Szczecin gewählt hat, nehmen Walesa viele übel. Der Chef der Solidarnosc-Nachfolgeorganisation „S“ in Kalisz, Jan Mosinski, schrieb einen offenen Brief an Walesa. Darin heißt es: „Ihre Einstellung beweist, dass Sie die polnischen Arbeiter und die polnische Arbeitswelt instrumentalisiert haben und es immer noch tun, dass Sie an erste Position immer sich selbst stellen.“ Schon mit seiner Entscheidung, Präsident Polens zu werden, habe sich Walesa selbst aus der „S“ eliminiert, schreibt Mosinski in seinem offenen Brief, aus dem heute die Rzeczpospolita zitiert.
GAZETA WYBORCZA: Am Niedergang der Werften sind alle Schuld
Auch die Gazeta Wyborcza beschäftigt sich mit dem Solidarnosc-Jubiläum, kommentiert aber vor allem die dramatische Situation der polnischen Werften. Die Betriebe in Szczeczin und Gdynia wären nicht pleite gegangen, wenn ein privater Investor sie übernommen hätte, schreibt die Zeitung. Das ist eindeutig eine Niederlage der Regierung Tusk. Aber auch der Vorgängerregierung unter Jaroslaw Kaczynski muss man einen Vorwurf machen, denn auch sie hatte mit der Privatisierung gezögert. Letztendlich wurde nur für die Danziger Werft ein Investor gefunden, der ihr das Überleben sicherte. Die Kritik des Solidarnosc-Vorsitzenden Janusz Śniadek ist gerechtfertigt, die Gewerkschaft muss sich aber auch an die eigene Nase fassen, meint die Zeitung. Denn sie war es, die Ende 2008 einer Vereinbarung mit der Regierung zugestimmt hat, durch die quasi die zwei Werften geschlossen wurden. Als Gegenzug erhielten die Mitarbeiter Abfindungen, die mit Steuergeldern finanziert wurden. Warum hat die Solidarnosc damals nicht protestiert? Warum hat sie das Geld genommen und geschwiegen, fragt sich daher heute die Gazeta Wyborcza.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: BRD will Bau des Gashafens in Świnoujście verhindern
Es geht um 80 Millionen Euro. Soviel will die Europäische Union zum Bau des neuen polnischen Gashafens ins Świnoujście beisteuern – wenn da nicht das Veto der Deutschen wäre. Die blockieren nämlich nun den Geldfluss mit der Begründung, dass der Gashafen die Umwelt bedrohe. Doch der eigentliche Grund ist ein ganz anderer, schreibt heute die Zeitung Dziennik/Gazeta Prawna (Niemcy blokują dotacje na gazoport ). Und zwar verfolgt Deutschland ganz eigene wirtschaftliche Interessen. Der Gashafen würde es Polen erlauben, Gas aus der ganzen Welt zu bekommen. Die Abhängigkeit von Russland wäre dann nicht mehr so groß. Deutschland hofft jedoch darauf, so spekuliert Dziennik, nach dem Bau der deutsch-russischen Nord Stream Pipeline, russisches Gas an Polen zu verkaufen. Darauf wäre Polen aber nicht mehr angewiesen, würde es den Gashafen bauen. Das versucht Deutschland nun mit allen Mitteln zu verhindern und führt sogar den Schutz der Fledermäuse in der Region an. Dabei hat die polnische Seite bereits Umweltgutachten vorgelegt und eingewilligt, zusätzliches Geld für den Schutz der Natur in der Region zur Verfügung zu stellen. Der EU war das genug. Deutschland nicht. Heute beginnen in Świnoujście die Schlüsselgespräche zum Bau des Gashafens. Polen stellt sich aber schon jetzt auf das schwärzeste aller Szenarien ein: Der Hafen wird so oder so gebaut, egal ob Geld aus Brüssel fließt oder nicht, schreibt die Zeitung Dziennik.
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