• Weniger pauken, mehr selber denken – Reform an polnischen Unis
  • 07.10.2010

RZECZPOSPOLITA: Weniger pauken, mehr selber denken – Reform an polnischen Unis


An polnischen Hochschulen deutet sich eine Revolution an. Die Zeitung Rzeczpospolita ist an das Reform-Konzept des Bildungsministeriums gelangt, das gestern im Sejm diskutiert wurde, und veröffentlicht heute Einzelheiten daraus (Rewolucja w uczeniu polskich studentów).  Zentraler Punkt des Konzepts: weg von der sturen Wissensvermittlung, hin zu umfassenden Kompetenzen, die Studenten ihr ganzes Leben lang brauchen. Soziale Intelligenz soll genauso gefördert werden wie die Fähigkeit, sein eigenes Leben zu gestalten, frühzeitig auf Karriere-Ziele hinzuarbeiten oder eine Wissenschaftlerlaufbahn einzuschlagen. Hochschulen sollen also nicht mehr darauf schauen, wie viele Fächer der Student in welcher Zeit belegt und bestanden hat, sondern was er konkret zu den Kursen beigetragen und aus ihnen mitgenommen hat.
Ein ehrgeiziges Projekt, meint die Zeitung. Das Bildungsministerium fordert von den polnischen Unis nichts weniger, als europäisch zu werden. Polen rangiert im internationalen Hochschulvergleich stets im unteren Bereich. An Konkurrenz zu Eliteeinrichtungen wie Harvard oder Oxford ist nicht zu denken. Die Reform erfordert ein hohes Maß an Flexibilität nicht nur von Lehrenden, sondern vor allem auch von Lernenden. Bisher waren es Studenten gewohnt, Anrechnungsstandards zu erfüllen. In Zukunft wird viel mehr Eigeninitiative gefordert. Und das ist auch dringend nötig. Je schneller das Konzept des Bildungsministeriums umgesetzt wird, umso besser, meint die Rzeczpospolita.

 

GAZETA WYBORCZA:  Regierung fordert überraschend Dopalacze-Verbot


Zwei Wochen noch, dann sollen Dopalacze endlich verboten sein in Polen. Das schreibt heute die Gazeta Wyborcza (Dopalacze - zakaz w dwa tygodnie). Der Sejm hat sich gestern mit den legalen Drogen beschäftigt und beschlossen, weiter hartnäckig gegen das Problem vorzugehen. Premierminister Donald Tusk rief jedoch dazu auf, sich an die Gesetze zu halten. Wenn sich die Regierung Fehler erlaube, werden die Dopalacze-Händler das ausnutzen und noch aggressiver auf den polnischen Markt drängen, befürchtet Tusk.
Wie das Verbot der Dopalacze aussehen soll, darüber sind sich die verschiedenen Parteien indes noch nicht einig. Die Recht und Gerechtigkeit PiS zum Beispiel hat vorgeschlagen, dass Dopalacze in Zukunft wie Substanzen behandelt werden sollen, die Drogen oder Psychopharmaka ähneln. Diese müssen in Polen registriert werden wie Arzneimittel, Hersteller wären dann gezwungen, Nachweise zu erbringen, dass die Substanzen unbedenklich für die menschliche Gesundheit sind und welche Auswirkungen sie auf die Psyche haben.
„Das ist Fiktion.“ Mit diesen Worten reagiert die linke SLD auf den PiS-Vorschlag. Die Registrierung von Arzneimitteln ist extrem kostspielig und zeitintensiv. Niemand würde sich darauf einlassen. Die SLD setzt eher auf ein absolutes Werbeverbot für Dopalacze und Vorschriften, damit Dopalacze besser erforscht werden.
Überhaupt ist es überraschend, dass die Regierung nun doch ein vollständiges Verbot der Ersatzdrogen durchsetzen will, meint die Zeitung. Bisher wollte sie vor allem auf Aufklärung setzen, da die Zusammensetzung von Dopalacze viel zu komplex und daher schwer in einem Gesetz erfassbar ist. Das Projekt droht also zu scheitern, befürchtet die Gazeta Wyborcza. 

 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Privater Gesundheitsservice in Polen blüht


Überstunden, wenig Schlaf, Stress – die Arbeit im Krankenhaus ist auch in Polen für viele Ärzte ein Knochenjob. Immer mehr von ihnen machen sich deswegen selbständig, schreibt die Zeitung Dziennik/Gazeta Prawna in ihrer heutigen Ausgabe (Lekarz, czyli przedsiębiorca). Oft eröffnen sie kleine, individuelle Arztpraxen oder heuern in privaten Kliniken an.
Für die Dienstleistungen der privaten Praxen besteht in Polen ein breiter Markt. Das öffentliche Gesundheitssystem ist bürokratisiert und unterfinanziert. Nicht selten betragen die Wartezeiten für wichtige Untersuchungen Wochen oder sogar Monate. Vor allem junge, wohlhabende Polen mit guten Jobs wollen sich damit nicht mehr abfinden. Sie bezahlen den Arztbesuch und die Behandlung lieber aus eigener Tasche. Laut Jacek Kozakiewicz, dem Vorsitzenden der Kattowitzer Ärztekammer, sei eine neue Kundschaft entstanden, die es in dieser Form in Polen vorher  nicht gegeben habe. Die Patienten würden zu Untersuchungen kommen, die man früher in Polen selten durchgeführt hat: Mammografien, Untersuchungen des Herzens, augenärztliche Eingriffe und auch Schönheitsoperationen. Besonders unter Managern in Führungspositionen sei auch die Nachfrage nach Psychiatern groß, so Dziennik. So ist in den letzen Jahren in Polen neben dem öffentlichen, ein zweites, privates Gesundheitswesen entstanden. Umgerechnet 7,5 Milliarden Euro geben die Polen jährlich für private ärztliche Dienstleistungen aus. Laut dem Wirtschaftsexperten Andrzej Sadowski sei das ein Armutszeugnis für die Regierung, die es versäumt habe, notwendige Reformen im Gesundheitswesen einzuführen. Wenn sie die Wahl hätten würden Menschen lieber selbst für die Behandlung in privaten Kliniken aufkommen, als in öffentlichen Krankenhäusern Schmiergeld zu bezahlen, kritisiert der Wirtschaftsexperte Andrzej Sadowski in der Zeitung Dziennik.

 

ele/fz