• Europäische Akzente in der polnischen Presse
  • 08.10.2010

POLITYKA: Die Linken warten auf bessere Zeiten 

Die Wochenzeitschrift Polityka widmet einen umfangreichen Artikel der heutigen Situation sozialdemokratischer Parteien in der EU. Noch vor Zehn Jahren waren in 12 von 15 Staaten der Europäischen Union die Sozialdemokraten an der Macht. In den letzten Jahren haben sich die Verhältnisse sehr stark geändert. In nur 7 von den 27 Mitgliedsstaaten regieren die Linken. Letztens mussten sogar die Linken in Schweden, das als ein wichtiges Zentrum des sozialdemokratischen Denkens gilt, eine Wahlniederlage in Kauf nehmen. Sogar die schwierige Finanzkrise, die das liberale Denken bloßstellte, konnte nicht zum Anstieg der Wählerzustimmung für die Linken beitragen, schreibt Polityka.

Was ist in den letzten Jahren mit den Sozialdemokraten geschehen ist, welche Fehler sie begangen haben und wie ihr politisches Programm aussehen sollte, haben bei einer Konferenz in Warschau Vertreter der linken Parteien aus Deutschland, Tschechien, Polen und der Slowakei besprochen. Der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski war der Meinung, dass nicht nur die Linken mit einem Identitätsproblem kämpfen müssen. Ganz Europa befinde sich in einer politischen Krise. Das politische System, das sich im XX. Jahrhundert bewährt hatte, habe in letzter Zeit seine Konturen und Funktionalität verloren. Mit dieser Diagnose stimmte Martin Schulz, Vorsitzender der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas, überein. In einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift Polityka sagte er, dass die Parteien des rechten Flügels der politischen Szene die Rhetorik der Linken übernommen hätten. Frankreichs Präsident Sarkozy sei dafür ein gutes Beispiel, meint Schulz. Sarkozy sage: mehr Staat, mehr Kontrolle, weniger Kapitalismus. Was er aber in Wirklichkeit tue bedeute einfach nur: weniger Staat, weniger Kontrolle und mehr Freiheit für den Kapitalismus, so Martin Schulz.

Der spanische Politologe Antonio Estella versuchte zum Schluss der Warschauer Konferenz eine optimistische Zukunftsvision für die Linken zu entwerfen. Laut Estella ist die Auswahl an politischen Ideen in Europa im Moment sehr begrenzt. In allen Ländern müssen sich die Politiker ähnlichen Problemen stellen: der Krise, der Arbeitslosigkeit. Wenn die Krise aber vorbei sei, werden die erschöpften Gesellschaften den Sozialdemokraten erneut eine Chance geben, so Antonio Estella.        

 

RZECZPOSPOLITA: Hochspannungsleitung sorgt für Aufregung 

Die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Polen und Litauen gestalten sich nicht immer gut. Neuer Stein des Anstoßes ist eine Hochspannungsleitung, die zwischen den beiden Ländern verlaufen soll. Das berichtet die Rzeczpospolita in ihrer heutigen Ausgabe. Die Leitung soll die Energienetze Polens und Litauens miteinander verbinden. Bei den Litauern aus der grenznahen Region Lazdijaj regt sich aber Widerstand. Sie befürchten, dass das Bauvorhaben die natürliche Schönheit ihrer Region verschandeln könnte. Eine Lösung haben sie auch gleich parat: Man könne die geplante Leitung doch ein paar Kilometer nach Westen verschieben, dorthin wo bereits eine Hochspannungsleitung steht und zudem der Bau einer neuen Eisenbahnlinie geplant ist. Dadurch würde sich die Fertigstellung des Projektes aber um mehrere Jahre verzögern. Mit schwerwiegenden Folgen: Sollte die Hochspannungsleitung nicht bis 2015 stehen, müssten Polen und Litauen der Europäischen Union über 200 Millionen Euro zurückzahlen, schreibt Rzeczpospolita.

Das Projekt ist seit über zehn Jahren in Planung, sowohl polnische als auch litauische Politiker fragen sich, warum die Bewohner der Region nicht früher protestiert haben. Ein litauischer Journalist Rimvydas sieht gar fremde Mächte im Spiel. Nach der Schließung seines Atomkraftwerkes sei Litauen in Sachen Energie beinahe völlig von Moskau abhängig. Man dürfe nicht vergessen, dass nicht alle außerhalb der Grenzen Litauens ein Interesse am Entstehen der Leitung hätten, so der Journalist. Für die polnischen Politiker hat das Projekt Priorität. Litauen müsse sich die Frage stellen, ob es weiterhin seine energiepolitische Isolation in Europa akzeptieren wolle. Die Veränderung der natürlichen Landschaft sei ein Preis, den man für die gemeinsame Energiesicherheit zahlen müsse, so der Europaabgeordnete Konrad Szymanski.