Dziennik Gazeta Prawna: EU-Mindeslohn bringt Polen Nachteile
„Die EU will uns die Gehälter vorschreiben!“ – so kommentiert die Zeitung Dziennik Gazeta Prawna in ihrer heutigen Ausgabe eine Resolution des Europäischen Parlaments. Diese sieht die Einführung eines EU-weiten Mindestlohnes vor. Die Abgeordneten wollen, dass künftig jeder Arbeitnehmer mindestens 60 Prozent des Durchschnittsgehalts in seinem Land verdient. In Polen beträgt der Mindestlohn zurzeit umgerechnet 320 Euro, also etwa 42 Prozent des Durchschnittsgehalts. Ein Anstieg der Löhne um 25-30 Prozent innerhalb von kürzester Zeit sei unmöglich, zitiert Dziennik Adam Ambrozik vom Arbeitgeberverband „Pracodawcy RP“. Überhaupt sieht Dziennik in einem Anstieg des Mindestlohnes für Polen nur Nachteile. Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der neuen EU-Länder sei bedroht. Vor allem Deutschland wolle durch den Mindestlohn die weitere Abwanderung von Produktionsstandorten nach Mittel- und Osteuropa verhindern. Jacek Mecina, ehemaliger Vize-Finanzminister befürchtet, dass drastische Erhöhungen zu steigender Arbeitslosigkeit führen werden. Wohlstand könne man nicht vorschreiben. Sollte die Initiative umgesetzt werden, würden Firmen verstärkt auf Automatisierung setzen und schlicht weniger Mitarbeiter einstellen. Besonders Niedrigqualifizierte seien davon betroffen, so Mecina.
Der Vorschlag der EU-Abgeordneten erntet aber nicht nur Kritik. Die polnischen Gewerkschaften haben sich für eine Erhöhung des Mindestlohns ausgesprochen. Zbigniew Kruszynski vom Gewerkschaftsbund Solidarnosc kritisiert, dass der Staat mit Sozialleistungen aushelfen müsse, weil viele Arbeitgeber ihren Mitarbeitern skandalös niedrige Löhne zahlen. Auch viele polnische EU-Abgeordnete haben für die Resolution gestimmt. Sie sehen in einem höheren Mindestlohn das beste Mittel im Kampf gegen Armut. Die polnische Gesellschaft verlange nach einem höheren Lebensstandard, zudem würden höhere Löhne die Wirtschaft ankurbeln, so Danuta Jazlowiecka von der Bürgerplattform. Die Resolution des EU-Parlaments ist vorerst nicht bindend. Die Europäische Kommission wird auf ihrer Grundlage innerhalb dieses Jahres ein Gesetzesprojekt erarbeiten, so Dziennik.
Gazeta Wyborza: Neue Aufgabe für die polnische Ratspräsidentschaft ab Juli 2011
„Lissabon Vertrag überprüfen“ titelt die Gazeta Wyborza. Frankreich und Deutschland wollen möglichst schnell den Lissabon-Vertrag ändern um härtere Strafen für Defizitsünder einzuführen. „Dies kann eine der wichtigsten Aufgaben der polnischen EU-Ratspräsidentschaft werden“, schreibt die Zeitung. Denn im Juli 2011 übernimmt Polen erstmals den EU-Vorsitz. „Wenn die Überarbeitung des Vertrages für das Funktionieren der Europäischen Union notwendig ist“, sind wir bereit das zu unterstützen, sagte der stellvertretende Außenminister Mikolaj Dowgielewicz.
Allerdings sieht die Gazeta Wyborza in diesem Prozess auch die Gefahr, dass er sich „ als die Büchse der Pandora erweisen“ könnte. Es sei zum Beispiel nicht ausgeschlossen, dass Polen dabei versucht für sich das Recht auszuhandeln, die Ausgaben für Renten von der Staatsverschuldung abkoppeln zu können und damit das offizielle Defizit zu verringern. Merkel und Sarkozy wollen die erste Version der Novelle im März 2011 vorlegen, sodass die Verhandlungen darüber in den Zeitraum der polnischen Ratspräsidentschaft fallen würden. „Wir sind nicht überrascht“ meint die GW und ergänzt: Die Veränderungen in Europa gehen so schnell voran, dass wir unser Programm für die Präsidentschaft daran anpassen müssen. Der stellvertretende Außenminister Dowgielewicz bietet zum Beispiel an, dass Polen Gastgeber für eine Regierungskonferenz sein könnte, in der die Veränderungen verhandelt werden.
Trotzdem ist sich die Gazeta Wyborza sicher, dass die Abwicklung von Deuaville „ein weiterer Beweis dafür ist, wie sehr die aktuelle Krise die EU verändert.“ In eine Richtung, die ungünstig sei für Polen, meint die Zeitung. Denn Merkel und Sarkozy „schwächen die Position der Europäischen Kommission.“ Außerdem fürchtet die Gazeta Wyborza, dass eine Änderung des Lissabon-Vertrages, der de facto nur die 17 Länder der Euro-Zone betrifft „die Aufteilung der EU in harten Kern und Peripherie weiter zementiert.“ Um dies zu verhindern, versucht die polnische Diplomatie diese Änderungen als einen Teil eines größeren Paketes von Reformen zu schnüren. Wir haben bereits ein solches Versprechen auf Papier, sagt Jean Pisani-Ferry, französisches Mitglied der EU-Kommission. Aber das Ziel der Reformen sei es, den Euro zu stärken. Und er meint, darauf wird man sich auch konzentrieren.