• Unabhängigkeit - immer noch ein Fremdwort?
  • 11.11.2010

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Polen ist auf dem richtigen Weg 

Es ist kein runder Jahrestag, die Polen feiern am 11. November auch nicht die Befreiung vom Kommunismus, doch der Tag der Unabhängigkeit ist immer eine gute Gelegenheit dazu, an die Entwicklung Polens in den letzten 20 Jahren zu erinnern, schreibt die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna (Cywilizacyjny skok, o jkim nie marzyliśmy). Unangemessen sei eine Kritik der jetzigen politischen Situation im Land, schreibt das Blatt. Die Polen haben sich in den letzten 20 Jahren, allgemein gesehen, zu einer erfolgreichen Nation entwickelt. Unsere Stellung in Europa ist so stark, wie seit 300 Jahren nicht. Nicht alles ist so gelaufen, wie man sich das wünschen würde, gibt Dziennik zu. Das Staatsdefizit ist zu groß, die Politiker haben Angst vor tiefgründigen aber notwendigen Reformen, die Infrastruktur in Polen ist sehr schwach ausgebaut, die Unternehmer müssen mit der ausufernden Bürokratie kämpfen, die polnische Armee ist unterfinanziert. Doch es scheinen nur kleine Probleme zu sein, sobald man sich erinnert, was diese Nation in den letzten 20 Jahren gemeistert hat, schreibt Dziennik enthusiastisch.

Das politische System ist stabil und hat sich nach der Smolensk-Katastrophe, bei der ein großer Teil der politischen Elite ums Leben gekommen war, bewährt. Die Wirtschaft entwickelt sich dynamisch, obwohl man das Entwicklungstempo selbstverständlich noch beschleunigen könnte. Polen ist ein festes Mitglied der NATO und der EU. Die Rolle Warschaus in beiden Bündnissen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Diejenigen, die die Politik der letzten 20 Jahre kritisieren, stellen auch das Engagement der Polen in Frage. Den die Polen selbst haben das erfolgreiche Land aufgebaut. Keiner hat es uns geschenkt, lesen wir im Blatt Dziennik.

 

RZECZPOSPOLITA: Die Unabhängigkeit ist immer noch ein Fremdwort in Polen  

Weniger optimistisch klingt das Interview mit dem 92-jährigen polnischen Piloten, Major Czeslaw Blicharski. Er werde den Tag der Unabhängigkeit nicht feiern, sagt der ehemalige polnische Soldat in einem Gespräch mit dem Blatt Rzeczpospolita (Niepodległosć – słowo wciąż obce). Anders habe er sich das freie Polen während des II. Weltkrieges vorgestellt. Von einem anderen Land habe er im Exil geträumt, sagt Blicharski. Was konkret habe ihn enttäuscht? Eigentlich alles, antwortet der 92-jährige aufrichtig. Es klinge vielleicht sehr scharf, aber er habe das Gefühl, dass er es im Moment nicht mit einer polnischen Nation zu tun habe. Das sei einfach eine ethnische Masse. Ihres Polentums seien sich heute vielleicht 5 – 10% der Polen bewusst, sagt Major Czeslaw Blicharski. Immer noch mangele es in Polen an einer konkreten Beurteilung des vergangenen politischen Systems. Es falle ihm schwer darüber zu sprechen. Das Herz tue ihm wirklich weh, wenn er darüber spricht und eben im Herz stecke die wirkliche Unabhängigkeit, so Major Czeslaw Blicharski.