NEWSWEEK: Mit dem Kapitalismus kam die Nüchternheit
Ein dunkles Kapitel aus der jüngeren polnischen Geschichte bringt uns diese Woche die Wochenzeitschrift Newsweek (Godzina policyjna dla flaszki) näher. Ende der 70-er Jahre platzierten sich die Polen an der Weltspitze, wenn es um den Alkoholkonsum geht. Ca. 5 Millionen Menschen haben sich damals mehrmals wöchentlich betrunken. Schuld daran war die kommunistische Partei, lesen wir. Es ging dabei nicht um ideologische Zwecke, sondern um die Stabilität des ökonomischen Systems. Nach dem Krieg wurden die Einnahmen des staatlichen Spirituosen-Herstellers eine der wichtigsten Säulen des Staatsbudgets. Laut verschiedenen Schätzungen machten die Einnahmen aus dem Alkoholverkauf in Polen 10 – 11% des Staatshaushaltes aus. Obwohl eine durchschnittliche polnische Familie 10% ihres Einkommens für Alkohol verschwendete, unternahm die Partei nichts, um die Tendenz zu stoppen. Im Gegenteil. Es gab in Europa kein anderes Land, in dem der Zugang zum Alkohol so einfach war. Denn Wodka konnte man überall kaufen. Kein Wunder also, dass auch überall getrunken wurde: in Schulen, Fabriken, abends zu Hause oder in den wenigen Lokalen, die es damals gab. Besonders viele Betrunkene waren auf Polens Straßen an populären Feiertagen oder Namenstagen zu sehen.
Den Höhepunkt erreichte der polnische Alkoholwahn am Zahltag. Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts OBOP aus dem Jahr 1977 haben sich an den Zahltagen über 60% der Bürger mit Alkohol betäubt. Erst General Wojciech Jaruzelski, ein entschiedener Nichttrinker, hat versucht, den Kampf mit der gefährlichen Neigung seiner Landsleute aufzunehmen, allerdings erfolglos. Vor dem Koma hat die Polen erst der Fall des Kommunismus gerettet, schreibt die Newsweek.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Sparen statt Autobahnen bauen
Warum es in Polen keine Autobahnen gibt und noch lange nicht geben wird? Die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna (Wiemy, dlaczego rząd Tuska nie buduje dróg) kennt die Antwort auf diese Frage. Die für die Fußball-EM angekündigten Autobahnen und Schnellstraßen werden nicht entstehen. Viele Schnellstraßen-Abschnitte werden erst viele Monate nach dem Fußball-Fest gebaut, denn die Regierung blockiert den Beginn der Bauarbeiten, schreibt das Blatt. Seit August wurden Verträge für den Bau von ca. 60 Kilometer Autobahnen und 45 Kilometer Schnellstraßen unterschrieben. Das Tempo lässt also zu wünschen übrig, meint Dziennik. Der Grund für die Verzögerung ist das Loch im polnischen Staatshaushalt. Die Regierung unterschreibe keine neuen Verträge und versuche somit Geld zu sparen, meint der Wirtschaftsexperte Adrian Furgalski. Insgesamt kann die Regierung dank ihrer Verzögerungstaktik in diesem Jahr ca. 5 Milliarden Zloty einsparen. Gleichzeitig blockiert die polnische Regierung damit aber viele Investitionen in die Infrastruktur, die der polnischen Wirtschaft helfen könnten, in Schwung zu kommen. Solche Scheinersparnisse werden der polnischen Wirtschaft auf längere Sicht nicht helfen, so Dziennik.
RZECZPOSPOLITA: Lob für Polen in Wikileaks-Depeschen
Die von der Internetplattform Wikileaks veröffentlichten Depeschen von US-Diplomaten sorgen auch in der polnischen Presse immer noch für Wirbel. Jetzt ist der Inhalt einiger Depeschen aus der Zeit der russisch-georgischen Südossetien-Krise im Jahr 2008 bekannt geworden. Und Polen erntet dort von den Amerikanern einhelliges Lob, wie die Rzeczpospolita in ihrer heutigen Ausgabe schreibt. Als es darum ging, die territoriale Integrität Georgiens zu verteidigen, habe Polen überraschend energisch die Führung übernommen, so die US-Diplomaten. Der damalige Präsident Lech Kaczynski war mit den Staatsoberhäuptern der Ukraine und der baltischen Staaten nach Tbilisi gereist, um Solidarität mit Georgien zu bekunden.
Lob gab es von den Amerikanern auch für den polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski. Ihm sei es gelungen, zumindest einen Teil der europäischen Länder von der Gefährlichkeit der russischen Militäraktion zu überzeugen. Insgesamt haben der Präsident und die polnische Regierung Einigkeit demonstriert und sich um eine schnelle Schlichtung des Konflikts bemüht, schreibt die Zeitung. Getadelt wird hingegen der französische Präsident Nicolas Sarkozy. In einer der Depeschen werden Sarkozys Schlichtungsversuche in Moskau und Tbilisi als „inszenierte Show“ bezeichnet, schreibt die Rzeczpospolita.
kk