• Die ersten Kommentare nach Medvedevs Polen-Besuch
  • 07.12.2010

DZIENNIK: Ein sehr positiver Besuch 

Die Visite des russischen Präsidenten Dmitrij Medvedev in Warschau ist heute das wichtigste Thema in der polnischen Presse. Die Tageszeitung Gazeta Wyborcza schreibt in ihrem Kommentar, es sei ein sehr positiver Besuch, obwohl bislang keine konkreten Entscheidungen getroffen wurden. Präsident Medvedev wandte sich an die Polen mit einer sehr offenen und freundlichen Sprache. Mehrmals habe er unterstrichen, dass er dazu bereit sei, die polnisch-russische Vergangenheit aufzuarbeiten, damit sich beide Länder endlich auf die Zukunft konzentrieren könnten, schreibt die Gazeta Wyborcza.

Auch Präsident Bronislaw Komorowski skizzierte positive Zukunftsszenarien für beide Länder. Komorowski sprach unter anderem über den geplanten Jugendaustausch, der auf längere Perspektive viel mehr bewirken könne, als die Treffen und Ankündigungen der Politiker. Wenn es um die Modernisierung Russlands gehe, sollte sie zu einer Verbesserung des Lebensniveaus der Bürger führen, eine ihrer Folgen sollte die Entstehung eines demokratischen Staates sein, es dürfe nicht nur ein technologisch-wirtschaftlicher Vorgang werden, sagte Polens Präsident Komorowski und gab damit ein klares Signal, wie sich Warschau das Russland der Zukunft vorstellt, lesen wir in Gazeta Wyborcza.

Bei den Plenargesprächen war trotz der freundlichen Atmosphäre eine gewisse Verlegenheit, vielleicht sogar etwas Misstrauen zu spüren. Als ob die russischen Politiker es noch nicht glauben könnten, dass die Polen den Aussöhnungsprozess ernst meinen würden. Laut Umfragen wünscht sich aber die Mehrheit der Polen eine Verbesserung der polnisch-russischen Beziehungen, die Polen suchen keine Feinde mehr, sie wollen jetzt mit ihren Nachbarn  zusammenarbeiten. Hat Dmitrij Medvedev den Wandel in der polnischen Mentalität wahrgenommen, kann seine Visite in Warschau in der Tat der erste Schritt auf einem langen Weg zur Normalität werden, stellt das Blatt Gazeta Wyborcza fest.

 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Ein belangloser Besuch 

Zu der Mehrheit der Polen, die sich eine Verbesserung der Beziehungen mit Russland wünschen, gehört höchst wahrscheinlich nicht der Oppositionspolitiker Mariusz Blaszczak. Der Politiker der konservativen Recht und Gerechtigkeit-Partei PiS meint, der Besuch Medvedevs in Polen sei nur für die russische Seite vorteilhaft. Werde sich die polnische Außenpolitik nicht verändern, gäbe es keine Chancen auf eine Verbesserung der polnisch-russischen Beziehungen, sagt Blaszczak in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Man dürfe nicht immer nachgeben. Eine der Folgen der weichen Politik gegenüber Russland würden die Polen ab dem 1. Januar zu spüren bekommen, wenn die Gas-Preise erhöht werden, sagt der Oppositionspolitiker.

Mariusz Blaszczak nennt noch weitere Fehler, die die Regierung in Warschau in ihrer Russland-Politik begangen habe. Einer der größten Fehler seien die Ermittlungen nach der Smolensk-Katastrophe vom 10. April. Wichtige Beweise verkommen, die Flugschreiber seien immer noch in Moskau, und keiner wisse, wann sie endlich nach Warschau transportiert werden. Die Erhöhung der Gas-Preise sei ebenfalls die Folge eines ungünstigen Vertrages, den die polnische Regierung mit dem Energiekonzern Gazprom unterschrieben hatte. Weiterhin nennt Blaszczak die Kontroversen um die Nord-Stream Pipeline sowie die Ankündigung, die polnische Raffinerie Lotos an Russland zu verkaufen. Der Besuch von Medvedev habe keines dieser Kernprobleme geregelt. Aber das konnte man auch nicht erwarten, meint der Oppositions-Politiker Mariusz Blaszczak in der Zeitung Dziennik/Gazeta Prawna.

 

RZECZPOSPOLITA: Unzufriedene vor dem Präsidentenpalast

Die gute Atmosphäre zwischen Russland und Polen, um die sich manche Politiker bemühen, versuchte eine kleine Gruppe von Demonstranten in Warschau zu zerstören, berichtet die Tageszeitung Rzeczpospolita. 40 Menschen demonstrierten gestern vor dem Präsidentenpalast in Warschau. Sie kamen mit Transparenten, auf denen sie unter anderem auf Englisch und Spanisch die Wahrheit in den Smolensk-Ermittlungen forderten. Wenn Menschen in anderen Ländern sie im Fernsehen sehen, sollen sie verstehen, dass die Polen die Wahrheit fordern, sagte einer der Protestierenden dem Blatt. Während der Protestaktion wurden antikommunistische Lieder gesungen. Kritik mussten auch polnische Polizisten vor dem Präsidentenpalast einstecken. Sie würden sich hier um die Sicherheit eines Bolschewiken bemühen, in Smolensk sei aber keiner von ihnen gewesen, so die Demonstrierenden im Zentrum von Warschau. Über  sie berichtet die Rzeczpospolita heute, mit der unsere Presseschau endet.

 

kk/el