In den Zeitungen sind heute noch viele Echos der Obama-Visite in Polen zu finden.
Rzeczpospolita: Besuch der Erfolge
Der Publizist der Rzeczpospolita Piotr Gabryel bezeichnet die Visite des US-Präsidenten als Erfolg. Allein, dass es zu dem Besuch kurz vor der polnischen EU-Ratspräsidentschaft gekommen ist, sei erfreulich. Noch erfreulicher werde es sein, wenn Polen, dank Schiefergas, in einigen Jahren nicht mehr wird fürchten müssen, dass Russland den Gashahn zudreht und wenn die Gaspreise im Lande sinken. Wenn noch hinzukommt, dass in Polen amerikanische Soldaten stationieren, dann werde Polen von einem wirklich großen Erfolg sprechen können - von einem großen Schritt Richtung größerer Souveränität und Freiheit, so der Kommentator der Rzeczpospolita Piotr Gabryel.
Rzeczpospolita: „Polen eine Führungsmacht in Europa“
In der Rzeczpospolita ist auch das einzige Interview zu finden, dass Obama in Polen gegeben hat. Darin versichert der US-Präsident, dass die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich zwischen Amerika und Polen noch nie so gut war, wie jetzt. Polen, so Obama, bleibe ein wichtiger Verbündeter der USA. Obama betonte auch, dass Polen den nordafrikanischen Staaten als sehr gutes Modell der Demokratie und freien Marktwirtschaft dienen könne. Dabei erinnerte das amerikanische Staatsoberhaupt an den Gipfel der Staatschefs von Mittel- und Osteuropa. Es sei erbauend gewesen, zu sehen, dass andere Staaten Polen als ein Beispiel sehr gelungener Reformen betrachten. Das sei sehr wichtig für die USA. Denn wenn Europa integriert, friedlich und wohlhabend ist, dann sei das sehr gut für die Vereinigten Staaten, für ihre Sicherheit und für die globale Wirtschaft, so Obama in der Rzeczpospolita.
Gazeta Wyborcza: Obama verpasst Chance auf ein Foto mit Walesa
Bei dem Obama-Besuch gab es auch mindestens eine Spannung. Friedensnobelpreisträger Lech Walesa hat das Treffen mit dem US-Präsidenten kurzfristig abgesagt. Dieses sei seiner Meinung nach nicht mehr als ein Fototermin gewesen.
In der polnischen Presse waren kurz darauf Stimmen laut geworden, dass Walesa leichtsinnig die Gelegenheit für ein Gespräch und ein Foto mit dem mächtigsten Politiker der Welt verspielt hat. Der Publizist der Gazeta Wyborcza Mariusz Zawadzki indes lobt die Entscheidung des ehemaligen Solidarnosc-Anführers. Die Idee, so Zawadzki, dass der Mitbegründer der „Solidarnosc“ mit Linkenanführer Grzegorz Napieralski und PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski Schlange stehen soll, um sich ein Foto mit Obama machen zu dürfen, sei von Anfang an absurd gewesen. Denn auch wenn Walesa bis zu seinem Lebensende nur noch Unsinn erzählen sollte – in der Weltgeschichte sei er eine Persönlichkeit vom selben Kaliber, wie Nelson Mandela. Natürlich, Mandela sei ein viel besserer Präsident gewesen, als Walesa und habe einen viel angenehmeren Charakter als der polnische Friedensnobelpreisträger. Aber beide – Mandela und Walesa – haben die Welt verändert. Kann man sich vorstellen, dass Obama während einer Afrika-Reise Nelson Mandela zu einem Gespräch in einer Gruppe von südafrikanischen Politikern einlädt, fragt der Publizist der Gazeta Wyborcza. Walesa, so Zawadzki, habe zurecht auf das Anstehen in der kuriosen Warteschlange verzichtet.
Vergangene Woche erst, erinnert Zawadzki, habe Walesa den Ronald-Reagan-Friedenspreis erhalten. Dabei habe die Witwe von Reagan gesagt, ihr Mann wäre stolz gewesen, dass gerade Walesa diesen Preis erhält. Und das, so Zawadzki, stimmt: Reagan wäre wirklich stolz gewesen. Daher sei nicht klar, ob Walesa eine Gelegenheit für ein Foto mit Obama verspielt habe, oder Obama die Chance auf ein Foto mit Lech Walesa, so Zawadzki in der Gazeta Wyborcza.
Autor: Adam de Nisau
Redaktion: Joachim Ciecierski