• Außenminister greift Meinungsfreiheit an
  • 27.06.2011

In den Zeitungen sind heute einige Kommentare zu der Reaktion der polnischen Regierung auf den Auftritt des umstrittenen Redemptoristenpaters Tadeusz Rydzyk in Brüssel zu finden. Rydzyk hatte während eines Auftritts im Europäischen Parlament unter anderem gesagt, Polen sei ein totalitärer Staat, ein Staat der seit 1939 nicht von polnischen Bürgern regiert werde. Im Gegenzug hat Außenminister Radoslaw Sikorski am Wochenende eine diplomatische Notiz über den Vorfall an den Vatikan geschickt.

Rzeczpospolita: Außenminister greift Meinungsfreiheit an

Natürlich, so der Publizist der Rzeczpospolita Michal Szuldrzynski in seinem Kommentar, könne man Rydzyk nicht recht geben. Was der Radio-Maryja-Chef erzähle, habe nichts mit der Realität zu tun. Aber dass man mit Rydzyks Worten – gelinde gesagt – nicht übereinstimme, heiße nicht, dass man ihm das Reden verbieten sollte. Einer der Grundsteine der Demokratie und der Meinungsfreiheit sei doch schließlich, dass jedermann ungestraft sogar die abstrusesten Theorien vertreten darf. Indes deute die Reaktion des Außenministers auf Rydzyks Auftritt darauf hin, dass Sikorski den umstrittenen Pater gerne zum Schweigen bringen würde. Abgesehen davon, dass es merkwürdig sei, als Antwort auf die Worte seines eigenen Bürgers diplomatische Prozeduren in Gang zu bringen, so Szuldrynski, stelle sich die Frage: was wolle Sikorski damit erreichen? Werde man künftig den Inhalt von Vorträgen, die man im Ausland halten möchte, von dem Außenministerium akzeptieren lassen müssen? Wer werde darüber entscheiden, welche Ansichten man werde vertreten dürfen und welche nicht? All diese Fragen hätte sich der Minister eigentlich früher stellen sollen, aber auch jetzt sei es noch nicht zu spät, so Szuldrzynski in der Rzeczpospolita.

Gazeta Wyborcza: Diesen Frosch werden wir selbst essen müssen

Auch die Gazeta Wyborcza kommentiert die Reaktion des Außenministers auf Rydzyks Auftritt eher kritisch. Die feierliche Notiz, so der Publizist der Zeitung Grzegorz Sroczynski, sollten die Polen vielmehr an sich selbst richten, als an den Vatikan. Rydzyk hätte man an der eigenen Brust großgezogen, indem man ihn jahrelang verdächtige Geschäfte habe machen lassen und ein Auge auf die antisemitischen Inhalte seiner Radiosendungen zugedrückt habe. Und diesen Frosch müsse Polen jetzt selbst essen. Der Vatikan werde sich da wohl eher nicht anschließen wollen, schreibt Grzegorz Sroczynski. 

Gazeta Wyborcza: Polnische Kirche gibt Rydzyk Rückendeckung

Auch die Publizistin der Gazeta Wyborcza Katarzyna Wisniewska bezeichnet die Effektivität der Notiz als äußerst zweifelhaft. Der Vatikan, so die Publizistin, habe schon vor einigen Jahren signalisiert, dass Radio Maryja ein internes Problem der polnischen Kirche sei. Die polnische Kirche wiederum werde sicherlich auch nicht eingreifen. Die Geistlichen, so Wisniewska, befürworten insgeheim die Aktivität von Pater Rydzyk. In einer Welt, die der Religion zunehmend den Rücken kehrt, werbe der Radio-Maryja-Chef schließlich für Gebet und den Katholizismus. Dass bei Gelegenheit jemand im katholischen Rundfunk mit Schlamm beworfen und schlecht gemacht wird – das sei in die Kosten mit einberechnet, so Katarzyna Wisniewska zu dem Streit um den Auftritt von Redemptoristenpater Tadeusz Rydzyk in Brüssel.
 
Autor: Adam de Nisau
Redaktion: Joachim Ciecierski