• Starke Regierung oder schwache Opposition?
  • 10.10.2011


Der Bürgerplattform ist bei den gestrigen Wahlen gelungen, was seit 1989 keiner Partei in Polen gelang: sie wird zum zweiten Mal in Folge die Regierung stellen, höchstwahrscheinlich in derselben Koalition, in der sie die vergangene Kadenz über regiert hat. Für die Partei von Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski PiS sind es indes die sechsten verlorenen Wahlen in Folge.

Rzeczpospolita: Starke Regierung oder schwache Opposition?

Woher dieses Wahlergebnis? Wieso hat die Bürgerplattform gesiegt, obwohl sie in den vergangenen vier Jahren viele Fehler begangen hat – angefangen bei den Ermittlungen zur Smolenskkatastrophe, über die misslungene Schulreform, bis hin zu den Pleiten beim Autobahnbau? Diese Fragen stellt in seinem Wahlkommentar in der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita Chefredakteur Pawel Lisicki. Seine These: Einerseits habe hier die Einseitigkeit und feindliche Haltung der polnischen Medien gegenüber der Recht und Gerechtigkeit eine wichtige Rolle gespielt. Das allerdings sei nur die halbe Wahrheit. Denn auch Kaczynski selbst habe schwerwiegende Fehler begangen. Seiner Partei  ist es nicht gelungen, sich von dem Image einer radikalen und unberechenbaren Gruppierung zu lösen. Dazu beigetragen haben unter anderem die radikalen Äußerungen zur Smolensk-Katastrophe, der Flirt mit den Fußball-Hooligans und die neuesten Aussagen Kaczynskis über Angela Merkel. Schließlich habe die PiS auch durch den Widerstand Kaczynskis, sich Premierminister Donald Tusk in einer Fernsehdebatte zu stellen, zusätzlich an Glaubwürdigkeit verloren. Denn wie könne man glaubwürdig die Regierung kritisieren, behaupten, dass die Mannschaft Tusks das schlechteste Kabinett seit 1989 ist und sich gleichzeitig davor drücken, es dem Ministerpräsidenten vor Fernsehkameras zu beweisen? Die sechste Niederlage Kaczynskis in Folge ist zum Teil selbst verschuldet, so Pawel Lisicki in der Rzeczpospolita.

Dziennik/Gazeta Prawna: Keine Ausreden mehr

Die Publizistin des Dziennik /Gazeta Prawna Jadwiga Sztabińska betont, dass die Wiederwahl für die Bürgerplattform und für Parteichef Tusk eine immense Verantwortung bedeutet. Nun, schreibt Sztabinska, gibt es kein Alibi mehr. Nicht der richtige Präsident, schwierige Opposition, Reformen müssen warten, bis sich die politische Lage stabilisiert – all diese Ausreden sind nun passe. Jetzt gilt nur noch: In acht Jahren kann man den Staat verändern und reparieren, man kann ihn auch kaputt machen. Allein an Donald Tusk liegt es nun, wie er die Chance, die er von den Polen erhalten hat, nutzt.

Gazeta Wyborcza: Gespaltenes Polen

In seinem Kommentar für die Gazeta Wyborcza macht Jaroslaw Kurski auf einen gesellschaftlichen Aspekt der gestrigen Wahlen aufmerksam. Kaczynski, so Kurski, habe zwar verloren.  Nichtsdestotrotz teilt immerhin noch ein Drittel der Wähler seine politische Vision – die Vision eines Polens, das von externen und internen Feinden umzingelt ist. Fazit: Polen ist weiterhin dramatisch gespalten. Und diese Kluft zu überbrücken und zuzuschütten, schreibt Kurski, sei eine wichtige Aufgabe für die kommenden Jahre. "Ist es möglich die PiS-Wähler davon zu überzeugen, dass Opposition nicht Destruktion bedeutet? Dass die Opposition mit der Regierung im Namen des Gemeinwohls zusammenarbeiten kann", fragt sich  nach dem gestrigen Wahlsieg der Bürgerplattform PO der Publizist der Gazeta Wyborcza Jaroslaw Kurski. 

Autor: Adam de Nisau