GAZETA WYBORCZA: Die polnische Regierung ist eine Besonderheit in der EU
Das neue Kabinett steht, alle Minister sind vereidigt und die Regierung von Premierminister Donald Tusk ist eine Ausnahmeerscheinung in der Europäischen Union. Das meint die liberale Gazeta Wyborcza und spielt damit auf die Dauerkrise der EU an. In Zeiten, in denen Ministerpräsidenten nicht durch demokratische Wahlen stürzen, sondern aufgrund der wirtschaftlichen Situation in ihrem Land und der Bewertung durch Ratingagenturen, grenzt es an ein Wunder, dass eine Regierung – trotz Krise – wiedergewählt wird. Donald Tusk ist gelungen, was vor ihm noch keinem demokratisch gewählten Regierungschef in Polen gelungen ist: Er hat das Vertrauen der Wähler bekommen und darf weitere vier Jahre regieren.
Das neue Kabinett ist nun ein Signal an die Staatengemeinschaft, dass Polen auch weiterhin beharrlich den europäischen Weg verfolgen werde, analysiert die Zeitung. Finanzminister Jacek Rostowski, Außenminister Radoslaw Sikorski und Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak sind geblieben. Sie gelten neben dem Premierminister als die Vorzeigeeuropäer in der Regierung. Vor allem Rostowski, der als einer der besten Finanzminister der europäischen Mitgliedsstaaten gilt, wird eine wichtige Stütze für Tusk sein. Für ihn gilt es nun, die historische Gelegenheit beim Schopf zu packen und Polen gekonnt durch die Krise zu manövrieren. Die Startbedingungen sind ideal: Die Regierungskoalition PO-PSL verfügt über eine komfortable Mehrheit im Parlament, die Opposition ist kritisch, aber konstruktiv eingestellt, und die Teile der Opposition, die es nicht sind – also, die Vertreter der Partei Recht und Gerechtigkeit PiS - demontieren sich gerade selbst. Nun muss Tusk Mut beweisen. Wann dann, wenn nicht jetzt? Und wer, wenn nicht er, fragt die Gazeta Wyborcza.
POLITYKA: Finanzmärkte werden Polen beobachten
Die Regierungsrede von Premierminister Donald Tusk, das sogenannte Exposé, war von allen mit Spannung erwartet worden. Vor allem im Hinblick auf die Situation auf den europäischen Finanzmärkten, schreibt die Wochenzeitschrift Polityka. Tusk wird seit langem für seine zögerliche Reformpolitik kritisiert. Er verlasse sich zu sehr auf das Wirtschaftswachstum in seinem Land, das im Moment noch über die solide Rating-Note A2 verfügt.
Doch die Ratingagenturen haben Polen schon eine Herabstufung angedroht und das hätte fatale Folgen. Die europäischen Volkswirtschaften stecken sich derzeit der Reihe nach mit dem Krisen-Virus an. Tusk müsse nun beweisen, dass Polen sich selbst eine Art Impfstoff gegen diesen Virus verschrieben hat. Und zwar in Form von Rentenreformen, der Erhöhung des Renteneintrittsalters, der Umstrukturierung der Bauernversicherung und der Privilegien für die sogenannten Uniformierten, meint die Zeitung. Tusk muss es gelingen, ein Zeichen auszusenden, dass er alles unter Kontrolle hat. Selbst, wenn sich das Wirtschaftswachstum verlangsamen sollte. Er muss zeigen, dass er bereit ist, blitzschnell zu reagieren. Selbst, wenn das Wirtschaftswachstum negativ sein sollte. Die europäischen Finanzmärkte sind gnadenlos. Sie werden die ersten Schritte der alten und neuen polnischen Regierung genau beobachten. Und wenn die Regierung sich als zögerlich herausstellt, werden die Finanzmärkte sie bestrafen. So viel ist sicher, schreibt die Polityka.
RZECZPOSPOLITA: Buzek zwingt EU-Abgeordnete zur Transparenz
Deutsche Abgeordnete sitzen ohne Scham in den Aufsichtsräten großer Firmen, griechische stellen völlig ungeniert die eigenen Familienmitglieder ein und italienische Parlamentarier nehmen Luxusgeschenke ohne schlechtes Gewissen an. Damit wird es nun bald vorbei sein, schreibt die Rzeczpospolita. Eine Initiative von Parlamentspräsident Jerzy Buzek hat nun zum Erfolg geführt und verpflichtet die EU-Parlamentarier ab dem 1. Januar 2012, ihre Nebeneinkünfte und alle Geschenke über 150 Euro anzugeben.
Grund für die neue Bestimmung ist eine Affäre, die Journalisten der Zeitung „Sunday Times“ ins Rollen gebracht haben. Sie hatten sich als Lobbyisten ausgegeben und Europaabgeordneten Geld geboten, wenn sie für eine bestimmte Verordnung stimmen. 12 000 Euro sollte es für eine Stimme geben, für ein ganzes Jahr Zusammenarbeit lockten 100 000 Euro. Dem konnten drei Abgeordnete aus Rumänien, Slowenien und Österreich nicht widerstehen.
Damit ist nun Schluss. Gestern hat das EU-Parlament die neuen Richtlinien angenommen. Die stärksten Kritiker kamen übrigens aus den Reihen der italienischen Delegation. Sie haben sich mit Händen und Füßen gegen die Offenlegungspflicht gewehrt. Auch unter den polnischen Abgeordneten gibt es negative Stimmen. So meint der PO-Mann Rafal Trzaskowski, die neue Bestimmung stelle die EU-Parlamentarier unter Generalverdacht, dass alle korrumpierbar seien. Doch es nützt alles nichts. Das Projekt kommt, schreibt die Rzeczpospolita.
Autor: Elisabeth Lehmann
Redaktion: Adam de Nisau