GW: Russlands Stimme der Freiheit
In ihrem heutigen Aufmacher berichtet die linksliberale Gazeta Wyborcza ausführlich über die Demonstrationen der Opposition in Russland. Mindestens 60.000 russische Bürger protestierten am Wochenende im Zentrum Moskaus gegen die gefälschten Wahlen und die Regierung von Wladimir Putin. „Bei Minusgraden und viel Schnee waren wir Zeugen der größten Anti-Regierungsproteste seit mehr als zehn Jahren“, schreibt das Blatt. Auch in St. Petersburg und Nowosibirsk gingen, trotz eisiger Kälte, Menschen auf die Straße und forderten einen Führungswechsel. Unterstützt wurden sie durch große Persönlichkeiten, wie den Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow, der ebenfalls erstmals in aller Deutlichkeit den Rücktritt von Regierungschef Putin verlangte.
Diese offenen Forderungen nach einem Systemwechsel seien ein neuer Trend, schreibt die Gazeta Wyborcza und zitiert den bekannten russischen Publizisten Dmitrij Bykow. „Die Menge lehnt die langjährige Lüge ab und will aufs Neue die politische Szene Russlands gestalten“ sagte im Interview Bykow. „Es wird nicht einfach sein, aber es wird das wahre Leben sein und nicht eine Imitation, die uns von Putin aufgezwungen wird“, lesen wir weiter.
„Das, was die Menge auf dem Sacharow-Platz in Moskau gefordert hat, ist wichtig für die ganze Welt“, schreibt in seinem Leitkommentar der Chefredakteur der Gazeta Wyborcza Adam Michnik. „Es ist ein Protest der reifen Bürger und keine Revolte der frustrierten Massen. Die Welt braucht ein demokratisches und ehrliches Russland. Ein Land, von dem schon Antoni Czechow und Lew Tołstoj geträumt haben“, schreibt Michnik in seinem Kommentar und wünscht den Bürgern viel Mut, Ausdauer und Umsicht in der für Russland „wohl ausschlaggebendsten Zeit der letzten vierzig Jahre.“
Volkszählung - eine Million Polen weniger als angenommen
Alle Zeitungen kommentieren die Ergebnisse der jüngsten Volkszählung in Polen. Nach Angaben des Hauptstatistikamtes, gibt es in Polen eine Million Polen weniger als bislang offiziell angenommen. 37,2 – anstatt 38,3 Millionen Menschen.
Grund für die Diskrepanz ist die Tatsache, dass viel weniger Auswanderer als angenommen nach Polen zurückkehren, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna. Das sei umso erstaunlicher, so das Blatt, da in den westeuropäischen Ländern eigentlich die Schuldenkrise tobt. Doch die Lebensumstände in Polen könnten den Erwartungen der Rückkehrer oft nicht gerecht werden, und im Ausland gebe es ein höheres Maß an sozialer Sicherheit, so eine Expertin des Zentrums für Internationale Beziehungen.
Die konservative Rzeczpospolita schreibt im Kommentar: „Die Zahlen sind kein bloßes Warnsignal mehr, sondern eine Alarmsirene. Wirtschaft, öffentliche Finanzen, Rentensystem und Firmen werden die Folgen der Abwanderung zu spüren bekommen. Wir werden unsere Stärke in der Welt und in der EU verlieren“, meint das Blatt und fordert von der Regierung unter anderem einen besseren Zugang zu Krippen und Kindergärten, sowie Reformen im Schul- und Gesundheitssystem.
Nach einer Statistik der Zeitung Rzeczpospolita leben die meisten Auslandspolen in Großbritannien (560.000), gefolgt von Deutschland (455.000) und Irland (125.000).
RZ: Wie die Regierung die Weltanschauung verändert
Motive von Weihnachtskarten sind für die konservative Rzeczpospolita ein Thema für die Titelseite. Das Blatt bemängelt darin deren Säkularisierung. Jahr für Jahr gibt es auf den Karten weniger Krippen, dafür mehr Weihnachtsbäume und Weihnachtsmänner. Statt froher Weihnachten wünschen die Karten immer öfter ein frohes Winterfest. Darin sieht das Blatt einen Einfluss der nach Polen importierten politischen Korrektheit. „Das sakrale Element verliert an Bedeutung, wird zweitrangig, so wie es sich einige Entscheidungsträger gewünscht haben“, schreibt das Blatt und wirft der Regierung eine unterschwellige Veränderung der Weltanschauung vor.
Die linksliberale Gazeta Wyborcza wundert sich über die Verschwörungstheorie der konservativen Rzeczpospolita und kommentiert ironisch: „Die polnische Linke hat lange einen Plan zur Vernichtung der polnischen Gesellschaft geschmiedet. Nach jahrelangen Überlegungen ist der Plan fertig: Die größten Feinde - Tradition, Patriotismus und Kulturerbe - sollen nun mit unschuldigen Weihnachtskarten bekämpft werden.“
Autor: Joachim Ciecierski
Redaktion: Adam de Nisau