Gazeta Wyborcza: Experten über die Präsidentschaft
Am Samstag geht die polnische EU-Ratspräsidentschaft zu Ende. Wie ist die Bilanz der vergangenen sechs Monate? Die linksliberale Gazeta Wyborcza lässt dazu Experten zu Wort kommen.
Cornelius Ochmann, Analytiker der Bertelsmann-Stiftung
Geht es nach Cornelius Ochmann von der Bertelsmann-Stiftung, wird die polnische EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel und in Berlin viel besser bewertet, als in Warschau selbst. Den Aussagen der polnischen Opposition zum Trotz – es sei die beste EU-Ratspräsidentschaft seit der Einführung des Lissabonner Traktats gewesen. Schlüsselpunkt - dank der Entschiedenheit der polnischen Politiker, konnte die EU vor einem Zerfall in die Eurozone und den Rest bewahrt werden. Dank Polen, betont Ochmann, werde die gerade entstehende Stabilitätsunion kein exklusiver Club der Eurogruppe sein, sondern für alle EU-Mitglieder geöffnet bleiben. Für die erste Lösung hatte sich Paris eingesetzt. Hätte Frankreich und nicht Polen die EU-Ratspräsidentschaft inne gehabt, wäre es zu einer Spaltung der EU gekommen, so Cornelius Ochmann von der Bertelsmann-Stiftung.
Andrew Michta, der Chef des Warschauer Büros von German Marshall Fund
Der Chef des Warschauer Büros von German Marshall Fund Andrew Michta zählt zu den Erfolgen der polnischen EU-Ratspräsidentschaft die Unterzeichnung der Beitrittserklärung mit Kroatien, sowie die polnischen Bemühungen für die Entwicklung der Östlichen Partnerschaft. Natürlich, so Michta, könne Polen von den Ergebnissen des Gipfels der Östlichen Partnerschaft und von der Entwicklung der Situation in der Ukraine enttäuscht sein. Andererseits: die EU-Staaten hätten die polnische Führung in der Gestaltung der EU-Ostpolitik anerkannt. Doch das, lesen wir weiter, woran wir uns nach einigen Jahren werden am besten erinnern können, werde die Rede von Außenminister Radoslaw Sikorski sein, der in Berlin stärkere Integration forderte. Man könne mit seinen Thesen übereinstimmen oder auch nicht. Wichtig sei, dass Polen sich dank ihm in der Gruppe der Staaten befindet, die die Zukunft Europas gestalten werden, so Andrew Michta vom German Marshall Fund.
Jiyrki Katalnen, Ministerpräsidentin Finnlands
Auch die Ministerpräsidentin Finnlands Jiyrki Katalnen lobt den polnischen EU-Vorsitz. Sie sei nicht nur von den Erfolgen der polnischen Ratspräsidentschaft beeindruckt gewesen, sondern auch von dem Stil, in dem diese geführt worden sei. Polen habe es geschafft, eine starke Führung mit der Atmosphäre intensiver Arbeit für das Allgemeinwohl zu verbinden, so die finnische Ministerpräsidentin.
Professor Alan Mayhew, Europäisches Institut der Universität Sussex
Schließlich ein Kommentar von Professor Alan Mayhew vom Europäischen Institut der Universität Sussex: Die sehr gelungene polnische EU-Ratspräsidentschaft, lesen wir darin, habe Polens Position als Schlüsselentscheidungsträger in der Union gestärkt. Der nächste natürliche Schritt, den Polen machen sollte, sei der Beitritt zur Eurozone, rät Alan Mayhew.
Soweit die Expertenkommentare zur polnischen EU-Ratspräsidentschaft in der Gazeta Wyborcza.
Dziennik/Gazeta Prawna: Unsichere Zeiten
Bartlomiej Niedzinski von Dziennik/Gazeta Prawna wagt eine Prognose für das kommende Jahr. Im Moment, so Niedzinski, sei die weitere Entwicklung der Krise schwer vorherzusehen. In einem seien sich die Experten allerdings einig: Die Region, die die schwächsten Wirtschaftsergebnisse haben wird, wird Europa sein. Laut ursprünglichen Prognosen des Internationalen Währungsfonds sollte das globale Wirtschaftswachstum 2012 vier Prozent betragen. Die Chefin des Fonds Christine Lagarde habe jedoch vor einigen Tagen angekündigt, dass diese Prognose wahrscheinlich wird gesenkt werden müssen. Ursache dafür sei die Schuldenkrise in der Eurozone. Alle Staaten der Eurozone haben ihre offiziellen Prognosen nach unten hin revidiert – in den meisten Fällen werde das Wachstum etwa ein Prozent betragen. Und auch das nur, wenn es schnell gelingt, der Schuldenkrise Herr zu werden, so Bartlomiej Niedzinski in Dziennik/Gazeta Prawna.
Autor: Adam de Nisau
Redaktion: Joachim Ciecierski