• Schwarzes Szenario hat sich verwirklicht
  • 03.01.2012

Die heutige Presseschau steht ganz im Zeichen des landesweiten Durcheinanders nach der Einführung der neuen Liste von staatlich bezuschussten Medikamenten am 1. Januar. Darin sind alle Medikamente aufgezählt, deren Kosten vom Staat mitgetragen werden, zum Beispiel teure Arzneimittel gegen Krebs oder andere Zivilisationskrankheiten. 

Rzeczpospolita: Schwarzes Szenario hat sich verwirklicht

Das schwarze Szenario, vor dem Ärzte und Apotheker im Zusammenhang mit der neuen Liste gewarnt hatten, hat sich leider verwirklicht, lesen wir heute sowohl in Dziennik/Gazeta Prawna, wie in der konservativen Rzeczpospolita. Das ganze System der Ausstellung von Rezepten durch die Ärzte und des Verkaufs von Medikamenten in den Apotheken, schreibt die Rzeczpospolita, ist zusammengebrochen. Die Patienten können nicht einmal prüfen, welche Medikamente ab dem 1. Januar noch bezuschusst werden und welche nicht mehr. Der Grund: der Server des Gesundheitsministeriums ist überfordert und hängt sich den ganzen Tag über auf. Und die Regierung hat immer noch keine Lösung des Problems vorgeschlagen.

Polenweit, lesen wir weiter, nehmen nun etwa drei Viertel der Ärzte an dem so genannten Stempelprotest teil: Sie versehen ihre Rezepte mit dem Stempel „Rückerstattung zur Entscheidung des Nationalen Gesundheitsfonds“ – damit entziehen sie sich der Verantwortung dafür, ob sie tatsächlich eines der vom Staat bezuschussten Medikamente verschrieben haben oder nicht und schieben diese auf die Apotheken ab. Das Ergebnis:  In der Apotheke werden die Patienten häufig wieder zu ihrem Arzt zurückgeschickt oder sie müssen den vollen Preis für ihre Medikamente bezahlen. Denn auch die Apotheker wollen die finanzielle Verantwortung für die verkauften Medikamente nicht tragen. Falls sie dem Patienten ein nicht bezuschusstes Medikament irrtümlich billiger verkaufen, müssen sie nämlich später den Unterschied zwischen dem wirklichen und dem gesenkten Preis aus eigener Tasche begleichen.

Schließlich ist es nach der Gesetzesänderung auch schwieriger geworden festzustellen, ob der jeweilige Patient tatsächlich im Nationalen Gesundheitsfonds versichert ist. Nur dann ist er überhaupt zu einer Kostenrückerstattung berechtigt. Kurz gesagt: in den Kliniken und Apotheken herrscht Chaos und das Nachsehen haben die Patienten.

Rzeczpospolita: Wer nicht vorausschaut, hat das Nachsehen

In dem Kommentar des Rzeczpospolita-Publizisten Bartosz Marczuk zu dem Durcheinander mit der Medikamenten-Liste lesen wir: Dass bei der Erstellung der Liste der vom Staat bezuschussten Medikamente eine Menge widersprüchlicher Interessen aufeinandertreffen und dass dabei auch gigantische Geldsummen mit im Spiel sind, das ist allgemein bekannt. Allgemein bekannt ist allerdings auch, dass Änderungen in diesem Bereich einen der sensibelsten Bereiche des menschlichen Daseins betreffen – die Gesundheit. Die Regierung sollte hier also eigentlich zu höchstmöglicher Sorgfalt verpflichtet sein. Sie sollte die Änderungen so vorbereiten, dass diese nicht auf Kosten der Patienten stattfinden. Doch in den letzten Tagen hat sich wieder gezeigt, dass die Einführung von Reformen im Gesundheitswesen die Regierenden überfordert.

Was dabei am meisten verwundert, ist, dass die Machthaber an ihren Fehlern überhaupt nicht lernen. Schließlich würden ein ruhiger Dialog mit den Interessengruppen, genaues Hinhören auf  ihre Argumente und vorausschauendes Handeln ohne Zweifel viel weniger kosten als das jetzige Durcheinander, so Bartosz Marczuk in der Rzeczpospolita.

Autor: Adam de Nisau
Redaktion: Joachim Ciecierski