Dziennik: Polen nicht gefährdet, doch Vorsicht ist besser als Nachsicht
Den meisten Platz widmet die polnische Presse dem gleichen Thema, das schon seit Wochen in aller Munde ist. Nur die Stimmung hat sich um 180 Grad gedreht. Alle Tageszeitungen berichten von dem plötzlichen Umschwung auf den globalen Finanzmärkten. Am Montag erreichten die amerikanische und die deutsche Börse zweistellige Zuwächse, das warschauer Parkett lag zwar nur mit 1,65% aber auch auf dem Plus.
Woher kommt diese Wende, wenn doch der amerikanische 700- Milliarden- Dollar- Rettungsplan von vor einiger Zeit die Finanzmärkte weitgehend kalt gelassen hatte? Ursache der Verbesserung ist, dass die EU nun mit einer Stimme spricht und die Handlungen der einzelnen Regierungen koordinieren möchte, spekuliert die Tageszeitung Dziennik. Die westlichen Staaten pumpen viel Geld in ihr Bankensystem und die Marktteilnehmer glauben, dass dies die Situation heilt, so das Blatt.
Laut der Zeitung werde sich auch Polen der großen Rettungsaktion anschließen. Schon jetzt wurden die Garantien für Bankeinlagen auf bis zu 50 Tausend erhöht. Obwohl die Situation der polnischen Banken sehr gut sei, kündigte Finanzminister Rostowski eine für das Bankwesen bestimmte Finanzspritze an.
"Im Vergleich zu anderen Ländern ist Polen eine Insel der Stabilität, doch Vorsicht ist besser als Nachsicht. – zitiert Dziennik zu diesen Plänen Premierminister Donald Tusk.
Dziennik: Worst- Case- Szenarios für EU- Gipfel
Das gestrige Gespräch zwischen Präsident Lech Kaczynski und Premierminister Donald Tusk hat nur eine halbe Stunde gedauert, Premierminister Tusk wollte danach nicht mit den Jorunalisten sprechen. Es heißt, er wollte in großen Emotionen nicht zuviel über den Präsidenten sagen..
Da ein Waffenstillstand zwischen Tusk und Kaczynski ist nicht in Sicht ist, widmet Dziennik sein Augenmerk den worst-case Szenarios, all dem, was ohne eine Einigung zwischen den beiden wichtigsten Politikern im Lande auf dem kommenden EU-Gipfel schiefgehen könnte.
Probleme könnte es schon am Mittwochabend geben, beim festlichen Abendessen, schreibt das Blatt. Bei diesem Treffen kann jeden Staat nur eine Person vertreten. Wer von der polnischen Seite wird in die Salons aufgenommen und wer muss draußen bleiben? Man werde wohl die Münze entscheiden lassen müssen –scherzen, laut Dziennik, brüsseler Diplomaten.
Wenn Donald Tusk und Lech Kaczynski es nicht über sich bringen, vor dem Gipfel einen Kompromiss zu schließen, könne die oben beschriebene Situation in Brüssel nur eine von vielen für Polen peinlichen Situationen werden, lesen wir weiter in dem Artikel. Z.B: Während der EU- Gipfel sind für jedes Land an einem riesigen Tisch genau zwei Stühle reserviert. Es gilt aber die eiserne Regel: sprechen darf nur eine Person - Themen gibt es schließlich viele, hinter dem Tisch sitzen 54 Präsidenten, Premierminister und Minister. Wenn jeder etwas sagen würde, dann käme man zu keinen Schlüssen – erklärt in Dziennik ein EU- Spezialist. - Wenn jetzt aber trotzdem gleichzeitig Tusk und Kaczynski die Hände heben, dann wird Sarkozy wohl, wie im Kindergarten die Politiker an die Tafel rufen müssen. Eine kuriose Situation – so der Kommentator.
Eine anderes Beispiel für Problembereiche: Die Einzeltreffen der Politiker. Manche Staatschefs, wie Angela Merkel oder Gordon Brown, sind sehr beschäftigt. - was passiert, wenn sowohl der polnische Premier, wie auch der Präsident Kanzlerin Angela Merkel um ein Vieraugengespräch bitten? – fragt das Blatt.
Das ernsthafteste Problem aber, schreibt Dziennik, könnten widersprüchliche Deklarationen der beiden polnischen Politiker sein. Der Premierminister und der Präsident haben u.a. eine gegensätzliche Meinung zu den von der EU auf Polen auferlegten CO2 - Emmissionen - erinnert das Blatt. Wie wird Polen dastehen, wenn Präsident Lech Kaczynski sich für den EU- Plan gegen Klimaerwärmung ausspricht und Donald Tusk diesen gleich darauf ablehnt?
Laut Juristen liegen die meisten Themen des kommenden EU- Gipfels in den Kompetenzen der Regierung. Doch in einem Punkt ist auch der Präsident gefragt. Das Thema Lissabonner Vertrag. - Hier wird Kaczynski sagen können, ob und wann er den Traktat unterschreibt, was absolut zu seinen Kompetenzen gehört. – sagte der Tageszeitung EU- Experte Pawel Swieboda.
Gazeta Wyborcza: Leere Säle bei Religionsunterricht
Wieso besuchen immer weniger polnische Kinder den Religionsunterricht? Diese Frage stellt Gazeta Wyborcza und bringt dazu ein Gespräch mit Jerzy Furman, einem Religionslehrer aus Warschau.
Die Frequenz sei um 20% gesunken bestätigt der Religionslehrer in dem Gespräch. Der Grund: Immer öfter wollen die Eltern, dass ihr Kind viele Religionen und ethische Systeme kennenlernt und seine Horizonte damit erweitert.
Eine solche Haltung sei aber, laut dem Religionslehrer, nur scheinbar vernünftig - man kann keine anderen Religionen kennenlernen, wenn man die eigene nicht kennt. Und gerade um diese Kenntnis ist es in Polen immer schlechter bestellt, so Furman.
Müsse Religionsunterricht die Schüler nicht zwangsweise langweilen? Vieles hänge von der Präsentation ab und davon, ob der Lehrer natürlich reagiert, sagt Furman, und bringt ein Beispiel aus seiner eigenen Praxis: Die Schüler haben ein Plakat mit einem Superauto und einem Topmodel an die Wand gehängt und gewartet, wie ich reagiere" - erzählt Furman - "Ich schaute auf das Plakat und sagte: O, phantastisches Auto und eine wunderschöne Frau. Sie haben gelacht, weil ich mich normal verhalten habe. Danach sprachen wir über den Körper des Menschen, darüber, dass er ein großer Wert ist.“ – so Furman.
Trotz guter Erfahrung ist Furman dennoch kein Befürworter von Religionsunterricht in der Schule. Auf lange Perspektive wäre es besser, in Schulen Religionskunde zu lehren und den Religionsunterricht selbst den Kirchen zu überlassen. Das könnte zwar zeitweise zu einem noch größeren Abfluss von Jugendlichen führen, sich aber langfristig bewähren. Die Bedingung: die Kirche müsse ihr Image verbessern, wieder zu einer glaubwürdigen Institution werden. Dann werden die Menschen wieder kommen – schließt der warschauer Kathechet.
adn